Programm rund um die Bücherwelt der Edition Romiosini (in deutscher Sprache)
Buchhändlerkeller Berlin, Carmerstraße 1 (Parterre), 10623 Berlin-Charlottenburg
Das Publikationsprojekt Edition Romiosini ist nun seit sechs Monaten aktiv und hat dem deutschsprachigen Publikum seither schon einige Klassiker der neugriechischen Literatur erschlossen. Das möchten wir mit Ihnen feiern!
An einem Sommersonntag, dem 12. Juni, wollen wir Sie deshalb im Überschwang des großen Philhellenen Friedrich Hölderlin dazu einladen, dies bei „Brod und Wein“ mit uns zu bejubeln. Im Mittelpunkt sollen dabei unsere Bücher und Buchprojekte stehen, die wir Ihnen auf vielfältige Weise präsentieren werden: durch Vorträge, eine Performance, ein Autorengespräch und eine Filmvorführung rund um die Bücherwelt der Edition Romiosini.
Zu hören, zu sehen und zu erleben werden dabei der bislang unveröffentlichte Brief einer Übersetzerin an einen verstorbenen deutschen Autor sein; Geschichten, die ebenso in die Schützengräben des Ersten Weltkrieges und die versunkene Welt der Istanbuler Griechen wie in die turbulente, oftmals tragische Migrationsgeschichte zwischen Griechenland und seinen Nachbarländern führen.
Anwesend wird auch der Autor Sotiris Dimitriou sein, der Auskunft über seinen Roman Lass es dir gut gehen (Ν’ ακούω καλά τ’ όνομά σου, 1993) geben wird. Dieser beschreibt das Leben dreier Generationen zwischen zwei Kulturen und zwei Welten und skizziert das Flüchtlingsdrama so tiefgründig, dass man glaubt, es mit den Schicksalen aktueller Flüchtlinge zu tun zu haben. Den Abschluss bildet die Vorführung des Filmes From the snow (Απ’ το χιόνι, 1993), der auf dem Roman von Dimitriou beruht.
PROGRAMM 14:00 Uhr – Grußwort: Miltos Pechlivanos (Direktor des CeMoG), Niki Eideneier (ehemals Romiosini Verlag)- - -
14:20 Uhr – Brief an einen Autor: Eleni Varopoulou an Heiner Müller"Verehrter Heiner Müller, lieber Heiner,
[…] Ein abgründiger Satz von Dir hat sich mir eingeprägt: „Wir sind bei uns noch nicht angekommen, solange Shakespeare unsere Stücke schreibt.“ Tatsächlich habe ich das Gefühl, du beschreibst unsere Gegenwart, wenn du über sein Theater sagst: „Nie zuvor sind die Interessen so nackt aufgetreten, ohne den Faltenwurf, das Kostüm der Ideen.“..."
»» Leseempfehlung: Helene Varopoulou, Brief an Heiner Müller, Berlin, Edition Romiosini, 2016.
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15:00 Uhr – Die Performanz des Schützengrabens: Kostis Kallivretakis und Myrivilis‘ Das Leben im GrabeDas Leben im Grabe beschreibt in 57 Kapiteln die makedonische Front auf dem Balkan während des Ersten Weltkriegs. Ausdrucksvolle Bilder des monotonen Lebens in den Schützengräben und der Brutalität der Kämpfe, lyrische Erinnerungen an das Leben auf Lesbos, der Heimat des Autors, sowie eine expressive Sprache sind die Leitfäden eines klassischen Werkes der neugriechischen Literatur.
Kostis Kallivretakis‘ Stück Die Dunkelkammer, das in der aktuellen Saison 2015-2016 im Ballhaus Naunystraße uraufgeführt und für den Monica-Bleibtreu-Preis in der Kategorie "zeitgenössisches Drama" nominiert wurde, hat den Text von Myrivilis sowie Remarques Im Westen nichts Neues zur Vorlage. Kostis Kallivretakis, Stelina Apostolopoulou und Konstantinos Gerakis werden Auszüge aus dem Roman aufführen.
»» Buchempfehlung: Stratis Myrivilis, Das Leben im Grabe, Übers. Ulf-Dieter Klemm, Berlin, Edition Romiosini, 2016.
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16:00 Uhr – Kochkultur und Toleranz: Das multiethnische Istanbul von Maria Iordanidous LoxandraLoxandra, die Protagonistin des Romans, ist eine Istanbuler Griechin, deren Betätigungsfeld den Haushalt, die Kindererziehung und das Kochen umfasst. Doch die eigentlichen Protagonisten des Romans sind Rezepte, Sprichwörter, Witz und Aberglauben der Istanbuler Griechen – die Alltagskultur eines versunkenen multikulturellen Konstantinopel. Gleichzeitig ist die aberwitzige, aber auch melancholische Geschichte des Romans ein Spiegel der politisch-historischen Zustände, die wenig später zu dramatischen Umwälzungen in der Region führten.
Der Neogräzist, Historiker und Schauspieler Konstantinos Gerakis wird Auszüge aus dem Roman vortragen.
»» Im Erscheinen: Maria Iordanidou, Loxandra, Übers. Eleni Enfiezioglou-Simos, Berlin, Edition Romiosini, 2016.
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16:30 Uhr – Die Entstehung von Hass: Zur multikulturellen Koexistenz zu den nationalen Säuberungen in Dido Sotirious Lebewohl, AnatolienDer sowohl in Griechenland wie in der Türkei beliebte Roman von Dido Sotiriou, einer osmanischen Griechin aus Anatolien, analysiert eine pathologische Entwicklung der Geschichte: Wie kommt es in einer multikulturellen Gesellschaft zu ethnisch und religiös bedingtem Hass, zu Flucht und Vertreibung? Wie schmal ist der Grat zwischen der Zivilisation und der Barbarei? Nach der Lektüre dieses Buches, das von den Lebensstationen eines osmanischen Griechen in Anatolien erzählt, weiß man: Ob in Kleinasien, auf dem Balkan, im Nahen Osten oder anderswo, die Mechanismen gleichen sich überall.
Der Neogräzist, Historiker und Schauspieler Konstantinos Gerakis wird Auszüge aus dem Roman vortragen.
»» Buchempfehlung: Dido Sotiriou, Lebewohl, Anatolien, Übers. Inge van Meerendonk, Berlin, Edition Romiosini, 2016.
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17:00 Uhr – Von Flucht und Migration: Der Autor Sotiris Dimitriou in Gespräch über seinen Klassiker Lass es dir gut gehenGegen Ende des Zweiten Weltkriegs verlassen Alexo und ihre jüngste Schwester Sofia ihr griechisches Dorf an der albanischen Grenze, um nach Nahrung zu suchen. Doch die Jüngere schafft den Rückweg nicht und muss bei Verwandten in einem Nachbardorf überwintern. Kurz darauf wird sie durch die Schließung der Grenze zwischen Griechenland und Albanien für immer von ihrer Familie getrennt.
Fast vierzig Jahre später kann sich ihr Enkel mit vielen weiteren Flüchtlingen illegal nach Griechenland retten: Verschneite Berge, Grenzsoldaten und aufgebrachte Bauern sind die ersten Hindernisse dieser beschwerlichen Reise, finanzielle Ausbeutung und soziale Abgrenzung erwarten sie später in Athen. Den einzigen Hoffnungsschimmer finden sie in dem jungen Mann, der sie freundlich anspricht und ihnen Bustickets schenkt...
Der Roman von Sotiris Dimitriou aus dem Jahr 1993 beschreibt das aktuelle Flüchtlingsdrama ebenso wie das Leben dreier Generationen zwischen den Grenzen zweier Welten.
»» Buchempfehlung: Sotiris Dimitriou, Lass es dir gut gehen, Übers. Birgit Hildebrand, Berlin, Edition Romiosini, 2016.
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18:00 Uhr – Filmvorführung: From the snow (Απ’ το χιόνι, GR 1993, OmeU, 90 min.)Regie: Sotiris Goritsas
Drehbuch: Sotiris Dimitriou
„Thomas ist in das Dorf gekommen und hat mir von den vier Toten erzählt. Thanasi Kotsi sagte er, hat der Schuss den ganzen Hinterteil des Kopfes weggeblasen. Thomas und ich haben es uns vorgenommen. Heute gehen wir weg, nach Griechenland. Wo wir hingehen? In die Heimat, sage ich. In das Verderben, sagt Thomas und lacht.“ So beginnt der Abstieg dreier Flüchtlinge aus dem nördlichen Epirus „vom Schnee“ auf den Grund des Omonia-Platzes. Dort werden sie konfrontiert mit dem Hunger, den verlorenen Illusionen, den ersten Symptomen eines neu ausgebrüteten – und uneingestandenen – Rassismus der heutigen Athener. Als Thomas auf dem Gerüst eines weiteren „mörderischen“ Hochhauses eines absolut unzeitgemäßen und paradoxen Todes stirbt, beschließt der Erzähler, in den Schnee zurückzukehren, dorthin, wo sich zumindest die Träume halten...
Der ehrliche, „kühle“, schon fast dokumentarische Blick des Regisseurs auf dieses gesellschaftliche Problem lässt den Zuschauer trotz alledem nicht unberührt. Dies ist wahrscheinlich der größte Erfolg des Films – eines bissigen Films, der die Klippen des Naturalismus vermeidet und stattdessen eine humane Sichtweise vermittelt, die sich nicht in lautstarke Predigten flüchtet.
Das Centrum Modernes Griechenland ist eine Einrichtung des Fachbereichs Philosophie und Geisteswissenschaften, ermöglicht durch die großzügige Unterstützung der Stavros Niarchos Foundation. Informiert bleiben: der CeMoG-Newsletter!
Zeit & Ort
12.06.2016 | 14:00 - 20:00
Buchhändlerkeller Berlin, Carmerstraße 1 (Parterre), 10623 Berlin-Charlottenburg