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08.03.2017
Die Gratwanderung zwischen Pressefreiheit und politischer Unterdrückung ist eine Aufgabe nicht nur für die Autoren der Zeit der Militärdiktatur, sondern auch für die Journalisten gewesen, die das Gleichgewicht zwischen dem existenziellen Überleben und der journalistischen Pflicht täglich ausloten mussten und so ihren politischen Kampf subtil oder direkt ausüben konnten. Pantelis Pantelouris, ehem. Presseattaché der griechischen Botschaft in Hamburg, München und Berlin, zeichnete auf dem facettenreichen Symposium der VDGG im vergangenen November ein umfassendes Panorama der Berichterstattung über die politische Situation im Griechenland der Militärdiktatur. Seine Rede, die wir hier in Textform anbieten, können Sie auch als Videoaufzeichnung sehen.
Pantelis Pantelouris: Unter dem Damoklesschwert der Zensur. Die Rolle der Medien für die Information der Menschen in Deutschland und in Griechenland
Jeder von uns, der die ersten Momente und die ersten Tage des Militärputsches in Griechenland miterlebt hat, trägt seine eigenen Erinnerungen und seine eigenen Gefühle. Für die Journalisten von damals, zu denen ich als junger Volontär gehörte, lassen sich die Erinnerungen von damals in einem Wort zusammenfassen: Zensur. Bereits in der Nacht des Putsches stürmten bewaffnete Militärs in die Redaktionsräume der Printmedien und des damals noch jungen griechischen Fernsehens und kontrollierten jede Bewegung der Journalisten.
Der Ausnahmezustand, der an jenem Freitag, dem 21. April 1967, ausgerufen wurde, bedeutete die Außerkraftsetzung einer Reihe von Artikeln der griechischen Verfassung. Die persönlichen Freiheiten wurden ausgesetzt und der Belagerungszustand auferlegt. Dies ermöglichte der Polizei und den Militärbehörden, anders gesinnte Personen ohne gerichtlichen Beschluss zu verhaften und auf abgelegene Felseninseln zu deportieren. So auch eine große Anzahl von Journalisten. Versammlungen von mehr als zwei Personen wurden verboten, Briefverkehr und Telefongespräche überwacht. Die politischen Parteien und eine Reihe von Organisationen wurden aufgelöst, diejenigen Gewerkschaften, die nicht aufgelöst wurden, bekamen neue, den Militärs hörige Vorstände. Vor allem: Jede Meinungsäußerung wurde zensiert. Die Obristen setzten die Zensur als Werkzeug zur Überwachung der griechischen Gesellschaft ein.
Die Zeitungen
Wenige Tage nach der Machtergreifung wurden im Generalsekretariat für Presse und Information zahlreiche Kontrollausschüsse eingerichtet, zuständig für Kino, Theater, Musik, Buch- und Presseverlage. Am Tag nach dem Putsch, dem 22. April 1967, übermittelte das Generalsekretariat Anweisungen an alle Zeitungen, nach denen nichts veröffentlicht werden durfte, ohne zuvor durch den zuständigen Ausschuss zensiert worden zu sein.
Bis zum Staatsstreich gab es in Griechenland 14 Tageszeitungen. Die beiden linken Blätter Avgi und Dimokratiki Allagi wurden verboten, die Büroräume konfisziert, das Archiv der Zeitungen weggetragen. Die Zeitungen der konservativen Verlegerin Eleni Vlachou, Kathimerini und Mesimvrini sowie das im selben Verlag herausgegebene Magazin Eikones, wurden von der Verlegerin aus Protest gegen die Zensur geschlossen.
Kathimerini gelingt es jedoch in der für den 21. April vorbereiteten Ausgabe, die schon im Druck war, als die Panzer rollten, einen ersten kurzen Bericht zu drucken: „Um 2 Uhr morgens ist ein Staatsstreich ausgebrochen. Bedeutende Politiker wurden verhaftet“. Die Zeitung sprach von einer unübersichtlichen Lage und von Informationen über die Verhaftung von Politikern und die Besetzung von Ministerien und Radiostationen durch bewaffnete Soldaten. Diese Ausgabe erreichte allerdings nicht mehr ihre Leser.
Zwei Zeitungen, die das Regime unterstützen, Eleftheros Kosmos und Estia, erschienen als einzige sogar am Tag nach dem Putsch, während Zeitungen des politischen Zentrums wie Ta Nea, To Vima und die Athinaiki, die bis dahin zu den auflagestärksten Blättern gehörten, erst am 24. April wieder die Zeitungskioske erreichten – zensiert. Die Junta setzte nicht nur Artikel 14 der Verfassung von 1952 außer Kraft, der die Freiheit der Presse, des Denkens und der Meinungsäußerung garantierte, sondern setzte gleichzeitig ein Gesetz von 1912 „über den Belagerungszustand“ wieder in Kraft, auf dessen Grundlage das Regime die Veröffentlichung jeglicher Art von Informationen in Zeitungen und sonstigen Printmedien zu verbieten berechtigt war. Sie hatte sogar das Recht, Tageszeitungen und Zeitschriften ganz zu schließen.
Inhalte, Titel, Fotos, auch Werbetexte wurden von nun an vor der Veröffentlichung von der Zensurbehörde kontrolliert. Die Zeitungen mussten jeden Tag zwei Exemplare der fertigen Zeitung zur Kontrolle vorlegen. Sie wurden gleichzeitig verpflichtet, vorgefertigte Artikel, Redetexte der Repräsentanten des Regimes und Ankündigungen zu veröffentlichen, sodass in allen Zeitungen die gleichen Artikel und Verlautbarungen erschienen, die oft sogar denselben Titel hatten.
Die Auflage der Zeitungen sank in den ersten Monaten der Diktatur dramatisch. Zum einen, weil die Pressezensur aus fast allen Zeitungen langweilige Verlautbarungsblätter der Obristen machte, zum anderen, weil die Leser Blättern wie Eleftheros Kosmos und der später neugegründeten Nea Politieia, die dem Regime nahestanden, kein Vertrauen schenkten, wie sich die Diktatoren erhofft hatten. Auf sie entfielen nicht einmal neun Prozent des Tageszeitungsverkaufs.
Die meisten der nicht-juntafreundlichen Blätter versuchten in dieser Phase zu überleben, indem sie zum Beispiel die Sportberichterstattung ausweiteten, Gesellschaftsthemen mehr Raum gaben, Themen der Weltgeschichte aufgriffen und in Serien behandelten, sich den politischen Entwicklungen in der Region (wie etwa dem Sechs-Tage- Krieg zwischen Israel und Ägypten) breite Berichterstattung widmeten.
Aber auch in dieser Phase der totalen Kontrolle herrschte ein „Katz- und Mausspiel“ zwischen Redaktionen und Zensoren, die in ihrer Unsicherheit und ihrem Unwissen oft hinter harmlosen Ausdrücken und Überschriften Kritik gegen das Regime oder kommunistische Propaganda entdeckten. Ich war damals Volontär bei einer linksliberalen Tageszeitung in Athen und erinnere mich sehr gut, dass wir zu fast jedem dritten Bericht, den wir den Zensoren vorlegen mussten, einen Ersatzbericht fertig haben mussten, um bei etwaigen Beanstandungen den Platz im Blatt gleich wieder füllen zu können.
Das Spiel mit dem Feuer nahm eine neue Dimension und eine neue Form an, als 1969 die Junta die präventive Zensur wegen der scharfen Kritik des Auslands aufhob. Die Situation wurde für die Zeitungen noch schwieriger, weil sie jetzt ein 1970 noch verschärftes Pressegesetz selbst anwenden mussten. Im Grunde wurde den Zeitungen eine Selbstzensur auferlegt, die noch mehr Gefahren für die Verlagshäuser beinhaltete als die präventive Zensur.
Denn untersagt blieb weiterhin die Veröffentlichung von Themen, die sich auf die nationale Sicherheit Griechenlands, die öffentliche Ordnung, die territoriale Unversehrtheit sowie Kritiken oder Informationen bezogen, welche die Bürger zur Nichteinhaltung der Gesetze der Diktatur aufriefen. Des Weiteren waren jeder Artikel, jede Abbildung und jede Vorstellung verboten, die zu einem Aufflammen der, wie es hieß, „politischen Leidenschaften“ führen konnten.
Die nicht juntafreundlichen Zeitungen fanden jedoch Möglichkeiten, „sanfte“, aber vom Leser erkennbare Kritik an dem Regime zu üben und kritische Informationen vor allem aus dem Ausland weiterzugeben. Sie veröffentlichten zum Beispiel ausführliche Protokolle der Prozesse gegen Regimegegner, durch die der Leser über die Misshandlung der Angeklagten erfuhr, oder die politische Auseinandersetzung mit der Junta miterlebte. Ethnos zum Beispiel veröffentlichte die ausführlichen Protokolle der Debatten über Griechenland im amerikanischen Kongress und ersetzte mit drei Punkten scharfe Kritik gegen die Obristen, wobei, wie der damalige Chefredakteur der Zeitung, Jannis Kapsis, einmal sagte, „der Leser sich schnell daran gewöhnt hat, selbst die ausgelassenen Passagen beim Lesen zu ersetzen, sogar mit oft noch schärferer Kritik als der ursprünglichen.“
Eine besondere Funktion übernahmen die Haupttitel auf der Frontseite der Zeitungen, die oft zu Protestplakaten wurden, indem sie von mutigen Kioskbesitzern vor dem Kiosk aufgehängt wurden. Immer wieder mussten Handlanger des Regimes die Kioskbesitzer zwingen, die Zeitungen abzuhängen. Man spielte mit den großen Lettern und der Zweideutigkeit der Begriffe. Man sandte über die Zeitungstitel Botschaften an die Leser, und die Leser verstanden sie. „Mit der Zeit entwickelte sich ein Verständigungscode zwischen der Zeitung und dem Leser“, erklärte Chefredakteur Kapsis. Ich zitiere kurz einige Titel, die ich aus jener Zeit im Kopf habe:
- FREIHEIT UND DEMOKRATIE riefen die Demonstranten in Prag (1968)
- DIE STUDENTENREVOLTE NIMMT GROSSE AUSMASSE AN (in Spanien, 1972)
- EIN HARTER POLITISCHER KAMPF GEGEN DIE REGIERUNG BEGINNT (in Pakistan, 1969)
- UNRUHE BREITET SICH UNTER DEN MILITÄRS AUS (in Italien, 1972)
- ALLE DIKTATOREN LEIDEN UNTER PARANOIA (Ioanesco spricht über sein neues Theaterstück, 1972)
- EINZIGE LÖSUNG SIND PARLAMENTSWAHLEN (betont der türkische Ministerpräsident Demirel, 1971)
In dieser Phase setzten einige Zeitungen die politische Karikatur als Waffe gegen die Zensur ein. Einer der wichtigsten Karikaturisten war – und ist immer noch – Kostas Mitropoulos, der für die Zeitungen Ta Nea und To Vima täglich die Zensoren zum Wahnsinn trieb und das Volk unterhielt. Das von den Obristen gehasste Wort Eleftheria (Freiheit) war für ihn in jener Zeit das zentrale Wort gewesen. Hier zwei Beispiele:
- Der amerikanische Botschafter verlässt Griechenland. „Ein Bürger ruft ihm zu: Fliegen Sie nach New York, Herr Botschafter? Grüßen Sie die Freiheitsstatue!“
- Zwei Männer sitzen auf einer Parkbank. Der eine schläft. Auf der Titelseite der Zeitung, die neben ihnen auf der Bank liegt, steht der Titel „Die Schiffe sind wieder frei“ (um auszulaufen - nach einigen Tagen stürmischer See). Ein dritter Mann nähert sich. Der Mann auf der Bank ruft ihm zu: „Wecken Sie ihn bitte nicht auf. Er träumt er sei ein Schiff.“
Eine weitere Anekdote aus dieser Zeit: Das Presseministerium schickte – wie bereits erwähnt – immer wieder den Redaktionen offizielle Ankündigungen, die sie veröffentlichen mussten. Als die Ankündigung über das Erscheinen des dritten Bandes der Reden des Diktators Papadopoulos – Pistevo – kam, veröffentlichte die Zeitung To Vima ordnungsgemäß den Text. Direkt darunter druckte die Redaktion den Bericht eines Mitarbeiters über pädagogisch nicht zu empfehlende Kinderbücher, der den Titel trug: „Eltern, passt bitte auf, welche Bücher eure Kinder lesen“.
Ein weiterer Einfall einer Zeitung: Zum Osterfest veröffentlichten alle Zeitungen gezwungenermaßen Fotos vom Besuch der drei Putschisten Papadopoulos, Pattakos und Makarezos in Kasernen. Eine Athener Tageszeitung veröffentlichte ein Foto der drei Obristen auf der Titelseite am Ostersonntag beim Tanzen. Über dem Bild stand die Schlagzeile: „Das letzte Osterfest ihres Lebens“. Der Titel bezog sich auf die Verkehrsopfer, die während der Osterfeiertage bei Unfällen ums Leben gekommen waren, der entsprechende Bericht war aber im Innenteil der Zeitung zu lesen.
Dass die Zeit der Selbstzensur nicht ungefährlich war, belegen die Verfolgung von Redakteuren und Verlegern und die Schließung von Zeitungen. Markante Beispiele sind die Schließung der linksliberalen Tageszeitung Ethnos 1970 und die Verurteilung des Chefredakteurs und Verlegers zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe, nachdem die Zeitung ein Interview mit dem früheren Minister Ioannis Zigdis veröffentlich hatte, in dem dieser für die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit plädierte. Oder die Beschlagnahmung und spätere Schließung der konservativen Zeitung Vradyni, weil sie einen Brief des im Exil lebenden früheren Ministerpräsidenten Konstantinos Karamanlis veröffentlichte, in dem dieser scharfe Kritik an der Junta übte. Eine interessante Anekdote zu diesem Vorfall: die Tagezeitung Thessaloniki in der gleichnamigen nordgriechischen Stadt erhielt damals auch das Karamanlis-Statement und wollte es veröffentlichen, als die ersten Informationen über die Beschlagnahmung von Vradyniin Athen die Redaktion erreichten. Der Verlag verzögerte daraufhin die Auslieferung des Blattes und veröffentlichte das Statement mit dem Zusatz, „wie die Vradyni berichtet“… Die Zeitung Thessaloniki wurde so, anders als die Vradyni, nicht beschlagnahmt, und Karamanlis’ Kritik erreichte doch noch die Leser.
Neben der Zensur benutzte das Regime eine ganze Palette von weiteren Maßnahmen, um die nicht juntafreundlichen Zeitungsverlage zu drangsalieren. Dazu gehörten unter anderem die Erhöhung der Besteuerung des Druckpapiers, der Ausschluss von Bankkrediten und von der Vergabe von Bekanntmachungen der öffentlichen und staatlichen Organisationen, die immer eine wichtige Einkommensquelle für die Zeitungen gewesen waren. Die Junta griff sogar in die Verteilung der Zeitungen ein, insbesondere auf dem Lande, und zwang die Grossisten, die ihnen nicht genehmen Zeitungen nicht an die Verkaufsstellen zu liefern und zurückzuschicken.
Die Widerstandspresse
Bereits in den ersten Monaten der Militärdiktatur erschienen im Untergrund die ersten illegalen Schriften, in Form von Zeitungen, Broschüren, Pamphleten und Infoblättern. Über 300 Titel registriert das Archiv für zeitgenössische Sozialgeschichte (ASKI) in der Periode 1967-1974. Diese illegalen Blätter kursierten von Hand zu Hand und waren eine wichtige Informationsquelle für die Bürger. Wegen der Informationen, die dort festgehalten wurden, sind sie heute eine einmalige Quelle für jeden Interessierten.
Die wenigen Blätter, die vor allem in den ersten Jahren der Junta im Inland erschienen, retteten eine ganze Reihe von Informationen: Verhaftungen, die von der Polizei nicht bekanntgegeben wurden, Informationen über Folterungen, Junta-Skandale, Informationen von Antijunta-Aktionen, die keinen Platz in den zensierten griechischen Zeitungen finden würden.
Oft versteckt in juntafreundlichen Drucksachen oder harmlosen Schriften, erreichten die illegalen Blätter auch das Ausland, und ihre Berichte erschienen damals in den in vielen Ländern herausgegebenen Widerstandsblättern wie Athènes Presse Libre (Paris), Greek Observer (London), Greek Report (London), Hellenic Review (London), Grecia (Rom) oder auch Griechische Dokumente und Informationen (Köln), Dimokratia (Bonn), Elefteri Ellada (Rom) usw.
Diese Blätter haben entschieden zur Information der Weltöffentlichkeit über die wahre Situation in Griechenland beigetragen. Sie enthüllten die Lügen und die Propaganda der Diktatoren und mobilisierten namhafte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in den verschiedenen Ländern.
Eine besondere Kategorie bilden diejenigen Blätter, die nach der Aufhebung der präventiven Zensur im Oktober 1969 in Griechenland legal erschienen sind, die in der Phase der sogenannten „Liberalisierung“ der Junta den kleinen Freiheitsspalt ausgenutzt haben, und die klare und konsequente Kritik an der Junta geübt haben. Mehrere dieser Publikationen wurden beschlagnahmt, ihre Verleger verhaftet und eingesperrt und alle wurden nach dem Aufstand im Polytechnikum 1973 ganz verboten. Diese Kategorie von juntakritischen Blättern hatte eine entscheidende Wirkung auf die jüngere Generation in Griechenland, vor allem auf die Studentenschaft, und trug zur deren Mobilisierung gegen die Junta bei.
Der größte Teil der Widerstandspresse sowohl im Inland als auch im Ausland ist in griechischer Sprache erschienen. Einige Blätter erschienen aber auch in Deutsch, Englisch, Französisch oder Italienisch. Haupterscheinungsort ist West-Deutschland mit mehr als 60 Blättern, gefolgt von Frankreich, Italien, Großbritannien und Schweden, Ländern also mit einer größeren griechischen Arbeits- und Studienmigration. Erscheinungsorte sind Großstädte wie Berlin, Paris, London und Stockholm, wo auch viele griechische Intellektuelle Zuflucht fanden. Die meisten Blätter wurden von unterschiedlichen Organisationen der Linken herausgebracht. Eine führende Rolle spielten Jugend- bzw. studentische Blätter wie Thourios der Organisation Rigas Ferreos (1968-1970), I Genia mas (1969) von Lambrakis’ Dimokratiki Neolaia, Odogitis (1969) der Kommunistischen Jugend KNE oder Panspoudastiki (1970) – als sich der studentische Widerstand ausweitete.
Die starke Präsenz von linken Blättern spiegelt die Kräfteverhältnisse in den Widerstandsorganisationen innerhalb Griechenlands wider. Dazu kommt, dass die griechische Linke eine lange Vorgeschichte und lange Erfahrung in illegalen Aktivitäten in Griechenland hatte, im Gegensatz zu Organisationen, die dem Zentrum und den Konservativen nahestanden, die vor allem im Ausland eine hohe Aktivität gegen die Militärdiktatur aufwiesen.
Die ausländische Presse
Im Gegensatz zur strengen Kontrolle der griechischen Zeitungen durfte die ausländische Presse bereits einige Tage nach dem Staatsstreich in Athen wieder verkauft werden, die Sicherheitspolizei war allerdings jeden Abend unterwegs, um bei den Grossisten ausländische Blätter mit sehr kritischen Berichten über das Regime aus dem Verkehr zu ziehen. Manche dieser Publikationen erreichten jedoch rechtzeitig die Kioske, und mutige Kioskbesitzer hängten sie demonstrativ aus.
Auch die ausländischen Korrespondenten waren frei zu berichten, standen aber ständig unter dem Damoklesschwert der Ausweisung, wenn ihre Berichterstattung der Junta nicht genehm war. Die erste Korrespondentin, die wegen ihrer mutigen Berichterstattung ausgewiesen wurde, war die Korrespondentin der Neuen Zürcher Zeitung, Eva Götz, später traf es auch den Korrespondenten der Süddeutschen Zeitung, Baldur Bockhoff.
Die Zeit schrieb darüber im Februar 1969: „Die Athener Junta wünscht nur wohlwollende Berichte über die Zustände in Griechenland zu lesen. Eine objektive Berichterstattung, die die Korruption der neuen Militärherren und die Terrorurteile gegen Andersdenkende verzeichnet, ist unerwünscht. Jüngstes Opfer dieser Art Pressezensur wurde Baldur Bockhoff, Athener Korrespondent der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau. Eine Woche, nachdem in der Zeit der erste von zwei Artikeln aus seiner Feder erschienen war („In Hellas regiert der Kommiß“ und „Die Justiz unter dem Militärstiefel“), erhielt Bockhoff den Ausweisungsbefehl. „Dieser Herr ist nicht der griechischen Gastfreundschaft würdig“, hieß es darin. Bockhoffs Schicksal widerfuhr noch mehreren ausländischen Journalisten, die Griechenland wegen ihrer kritischen Berichterstattung verlassen mussten, wie z.B. dem Korrespondenten des britischen Observer, Leslie Finner, oder Janet Damon von der BBC.
Eine besondere Rolle spielte der Spiegel, der mit Kostas Tsatsaronis einen der mutigsten Korrespondenten in Athen hatte. Nach der Rückkehr zur Demokratie im Juli 1974 wurde bekannt, dass die Obristen, die ihn mehrmals verhaften und verhören ließen, ihm zuerst doppeltes Gehalt und dann 200.000 DM angeboten hatten, wenn er den Spiegel verlasse, was er ablehnte.
Ein großer Teil der deutschen Medien hat damals regelmäßig über die Situation in Griechenland berichtet. Der deutschen Politik war das nicht unbedingt recht: Aus dem Auswärtigen Amt und der deutschen Botschaft kamen Aufforderungen, nicht „die deutsch-griechischen Beziehungen und die Beziehungen zur NATO zu belasten“, wie in den Archiven des AA zu lesen ist.
Deutsche Solidarität in Griechenland
Solidaritätsbekundungen für das griechische Volk und Kritik gegen das Regime seitens deutscher Persönlichkeiten gab es während der ganzen Zeit der Militärdiktatur. Einige von diesen Bekundungen hatten einen besonderen Wert, weil sie im Land selbst zum Ausdruck gebracht worden sind. Ich erinnere mich an den Besuch und die Rede von Günter Grass in Athen im Jahre 1970 und die Protestaktion von Günter Wallraff, der sich 1974 am zentralen Syntagma-Platz angekettet und Flugblätter gegen die Militärdiktatur verteilt hat.
Dazu würde ich auch die Aktion des damaligen Chefredakteurs des Stern, Hennri Nannen, zählen, der 1968 demonstrativ nach Athen fuhr, um dort Urlaub zu machen und – wie er sagte – dem griechischen Volk seine Solidarität zum Ausdruck zu bringen. Eine wenig bekannte Episode von Nannens Reise ist, dass sich zur selben Zeit in Athen eine von Militärs eingeladene Gruppe deutscher Politiker aufhielt. Nannen ging zum Pressegespräch mit der Delegation und stellte die vier deutschen Parlamentarier bloß, sich von einem Unrechtsregime einladen zu lassen.
Eine Aktion überschattete aber an Auswirkung alle anderen, wegen des Inhalts und des Zeitpunktes, an dem sie stattfand. Es handelt sich um den Flug des Stern-Reporters Fred Ihrt über die Gefangeneninsel Jaros, auf der damals ca. 7000 Juntagegner interniert waren: Es war kurz nach der Errichtung der Diktatur, im Juli 1967, als die Putschisten unverfroren in allen Richtungen behaupteten, in Griechenland gebe es keine politischen Gefangenen und keine Gefangeneninsel: Ende Juli 1967 charterte Fred Ihrt im Libanon ein zweisitziges Flugzeug, überflog im Tiefflug die halbe Ägäis, ohne von dem Radar der Junta registriert zu werden, und fotografierte das Gefangenenlager auf Jaros, das es nach der Version der Militärs nicht gab. Der Fotobericht erschien im Stern am 6. August 1967 und in der französischen Illustrierten Paris Match und erschütterte die öffentliche Meinung in Europa. Er spielte eine maßgebliche Rolle für den Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte im November 1969. (Einer Verurteilung Griechenlands durch den europäischen Gerichtshof und der Gefahr, vom Europarat ausgeschlossen zu werden, kam Griechenland zuvor, indem es im Dezember 1969 selbst aus der Organisation austrat).
Der griechische Historiker Tassos Vournas, selbst Gefangener in dieser Zeit auf Jaros, hat in einem seiner Bücher beschrieben, wie die Lagerinsassen den Flug des Stern-Flugzeuges erlebten:
„Es war in den letzen Juli-Tagen, als eines Tages so gegen 11 Uhr vormittags, bei starkem Nordwind, ein kleines rotes zweisitziges Flugzeug über dem Lager auftauchte. Wir sahen, wie der starke Wind es wie ein Kinderspielzeug hin und her schleuderte. Anfänglich flog es in einer Höhe von ca. 500 Metern, kam aber dann langsam herunter und flog direkt über unsere Köpfe, in etwa 30 Metern Höhe. Wir sahen klar die beiden Besatzungsmitglieder.
Zufälligerweise hatte die Lagerleitung eine Stunde, bevor das Flugzeug auftauchte, per Lautsprecher verkünden lassen, dass diejenigen, die im Meer baden wollten, runter zum Ankerplatz gehen durften. Viele haben davon Gebrauch gemacht und in kürzester Zeit füllte sich das Meer vor dem Gefängnistrakt mit Badenden. Als nun das Flugzeug auftauchte, dachten wir gleich an ein Komplott der Junta, dass wir nämlich mit Absicht zum Baden geschickt worden sind, damit man uns fotografiert und die Fotos im Ausland zeigt, als Antwort auf die internationale Kampagne gegen das Lager auf Jaros und sagt „guckt mal, wie schön sie es haben und dass sie im Meer baden können“, während wir armen Schweine ins Wasser gingen, um uns mit dem Salzwasser zu waschen, da es im Lager kein Wasser gab.
Wir merkten zwar eine gewisse Unruhe unter den Wächtern, als das Flugzeug wiederholt über uns flog und Fotos machte und einige Dachwachen haben versucht, mit ihrem Mannlicher-Gewehr darauf zu schießen, was natürlich unmöglich war. Wir selbst glaubten dennoch, dass es gedungen war…“
Die Jaros-Fotos von Fred Ihrt gingen um die Welt und wurden zu World Press Fotos des Jahres 1967, neben Bildern aus dem Vietnamkrieg. Fred Ihrt war ein leidenschaftlicher Fotoreporter und Griechenlandfreund. Ich hatte selbst das Privileg, ihn in den ersten Juntajahren als junger Journalist in Athen als Dolmetscher begleiten zu dürfen.
Wenn man von deutscher Solidarität in Griechenland während der Militärdiktatur spricht, kann man die Rolle des Goethe Instituts in Athen nicht unerwähnt lassen. Das Institut war alle diese Jahre eine Oase der freien geistigen Auseinandersetzung, und ein Pol für den Kontakt vor allem der jungen Leute in Griechenland mit den Entwicklungen im freien Europa. Allen, die diese Zeit in Griechenland erleben mussten, ist der Name des mutigen Programmchefs des Instituts, Johannes Weissert, in bester Erinnerung geblieben.
Aktivitäten der griechischen Botschaft in Bonn
1976 veröffentlichte der Spiegel einen Bericht über die Propagandapolitik des Militärregimes und warf einer Reihe von Journalisten deutscher Medien vor, Einladungen der Athener Junta zu Reisen nach Griechenland angenommen zu haben, um sich „auf Kosten der Junta“ ein „eigenes Bild“ – wie es in den Einladungen stand – von deren Vorzügen zu machen. (Als ich nach dem Sturz der Diktatur die Leitung des Presse- und Informationsbüros Griechenlands in Hamburg übernahm, konnte ich spüren, wie reserviert viele deutsche Kollegen weiterhin gegenüber griechischen Pressestellen waren).
Deutschland war für die Obristen das wichtigste Land in Europa: als Nato-Verbündeter, als Handelspartner, als Kapitalmarkt, als Bindeglied zum Gemeinsamen Markt, aber auch als Herkunftsland der zweitgrößten Touristengruppe, die Griechenland jedes Jahr besuchte und lebenswichtige Devisen brachte. Dazu kam, dass in Deutschland die Masse der griechischen Gastarbeiter lebte, die in ihrer Mehrheit juntafeindlich waren. Außerdem kam aus Deutschland jeden Abend über den Griechischen Dienst der Deutschen Welle scharfe Kritik an die Machenschaften des Regimes, die Millionen griechischer Haushalte erreichte, während die griechische Gastarbeitersendung des BR, die WDR-Ausländersendung, bzw. die wöchentliche Sendung im Hessischen Rundfunk „Rendez-vous in Deutschland“ den in Deutschland lebenden 400.000 Griechen unzensierte, freie Informationen aus der Heimat lieferten.
Also beauftragten die Propagandisten der Junta die Londoner PR-Agentur Fraser & Fraser mit der Operation der Beeinflussung der europäischen Presselandschaft. Der Chef der Agentur, Maurice Fraser, flog in wenigen Monaten 78 Gäste, darunter 45 Journalisten, aus Westeuropa gratis nach Griechenland, damit sie sich dort auf Kosten der Militärs „ein eigenes Bild machen können“. Dazu zählten auch 23 Parlamentsabgeordnete, unter ihnen sechs aus der Bundesrepublik. Auf Regimekosten fuhren auch Ehefrauen oder Söhne mit, von Junta-Chef Georgios Papadopoulos mit allen Ehren empfangen. Die deutschen Bundestagsabgeordneten Lambert Huys, Hans Toussaint und Josef Stecker von der CDU sowie Siegfried Zoglmann und Josef Ertl von der CSU und Werner Kubitza von der FDP. Nur die SPD hatte dankend abgelehnt. „Die Hochstimmung verflog“, schrieb damals der Spiegel, „als deutsche Korrespondenten – unter ihnen Henry Nannen –, die Werbe-Reisenden peinlich befragten. Zwei der Abgeordneten verließen die Pressekonferenz im Athener Hotel King George vorzeitig und beleidigt, nachdem Journalisten von ‚Korrumpierung‘ gesprochen hatten“.
Die Zusammenarbeit der Militärs mit Maurice Fraser dauerte nur ein Jahr. Sie endete abrupt, als die Praktiken der PR-Agentur in Großbritannien in die Öffentlichkeit gerieten. Die Aufgabe, die internationale Öffentlichkeit über „die Fortschritte“ Griechenlands unter der Regie der Militärs aufzuklären, übernahmen dann die Presseabteilungen der griechischen Botschaften und Generalkonsulate, denen ein für die damalige griechische Verhältnisse hohes Budget von über 500.000,- DM zur Verfügung gestellt wurde.
In der Botschaft Griechenlands in Bonn übernahm die Rolle des Presseattachés in dieser Zeit der Major des Geheimdienstes Assariotis, während die Oberaufsicht der Militärattaché, Oberst Peressiadis, innehatte. Obwohl der größte Teil der Archive der Botschaft und vor allem der Presseabteilung von den Militärs vernichtet worden sind, bezeugen (trotz der Dementis der Betroffenen) Duplikate einiger wichtiger Dokumente, die in der Zentrale bzw im Archiv des griechischen Rechnungshofes gefunden worden sind, die Wahrheit der Enthüllungen des Spiegel über die Beeinflussung deutscher Medienvertreter und Parlamentarier – ausschließlich aus dem konservativen Lager – durch die Junta. Gleichzeitig geben sie Aufschluss über die Beschattung der Aktivitäten von juntafeindlichen griechischen Arbeitern und Studenten in Deutschland. Denn Oberst Peressiadis und Major Assariotis beschränkten ihre Aktivitäten nicht auf die Beeinflussung der Presse. Mit Hilfe der Generalkonsulate gründeten sie in jedem Bundesland juntafreundliche Griechenvereine und finanzierten ihre Mitteilungsblätter, in denen die „nationale Revolution“ verherrlicht wurde. Die Antijunta-Bewegung unter den Griechen und unter der deutschen Studentenschaft war aber so stark, dass diese Aktivitäten des Regimes bald erstickten.
Die Botschaft versuchte, Gegenvereine zu den Studentenvereinen griechischer Demokraten zu gründen bzw die vorhandenen Vereine zu vereinnahmen Studenten wurden unter Druck gesetzt, dabei mitzumachen, mit der Drohung, das Stipendium aus Athen würde gestoppt oder sie würden zum Militärdienst eingezogen werden. Die Generalkonsulate waren von der Botschaft angewiesen, denjenigen Griechen keinen Pass auszustellen, die sich an Aktionen gegen das Regime beteiligen. Für viele Studenten waren damals der Fremdenpass und die deutsche Solidarität überlebenswichtig.
Bezeichnend ist, dass die in der Botschaft arbeitenden Agenten der Militärs nicht immer selbst nach deutschen Propagandisten des Regimes zu suchen brauchten, denn zahlreiche boten von selbst der Botschaft ihre Dienste an. Meistens im Geiste des kalten Krieges und des Antikommunismus, der in jener Zeit herrschte. Filmemacher boten an, juntafreundliche Filme über Griechenland zu drehen, Parlamentarier baten um Material, um eine Pro-Junta-Anfrage im Parlament zu stellen, Journalisten boten sich selbst als Propagandisten an.
Ein eklatantes Beispiel ist der Journalist und Schriftsteller Erwin Erasmus Koch. Nachdem sein Wunsch, als Berater in der Botschaft angestellt zu werden, abgelehnt wurde, „weil die Botschaft keine Ausländer beschäftigt“, wie es hieß, erhielt Koch einen hohen Betrag (man sprach von 10.000.- DM), um ein Buch zu schreiben. Es hieß „Griechenland im Umbruch“ und war eine Hymne auf die Junta, die das Land vor der kommunistischen Übernahme gerettet haben soll. In der zweiten Ausgabe des Buches wettert Koch gegen den SPD-Pressedienst und gegen die „linken Zeitungen“, die ihm vorgeworfen hatten, bezahltes Sprachrohr der Diktatoren zu sein und behauptet, kein Geld von der Botschaft bekommen zu haben. Die Dokumente sprechen aber eine andere Sprache.
Bücher
Die Jahre der Militärdiktatur waren auch die Jahre der Diktatur in Chile, des Vietnamkrieges, der Studentenbewegung. Die studentische Jugend war auf den Straßen, und die Unis waren ein Ort der linken Rebellion. Ich erinnere mich immer noch an das Transparent, das unsere zweijährige Tochter bei den Solidaritätsveranstaltungen für Griechenland an der Freien Universität in Berlin im Kinderwagen trug, und dessen Slogan von den Demonstranten auf dem Ku’damm skandiert wurde. Der Slogan lautete: „Pattakos an die Wand, für ein rotes Griechenland!“
Der Putsch weckte bei den Deutschen und vor allem bei der Studentenschaft ein breites Interesse für Griechenland, das bis dahin vor allem als Kulturland bekannt war, das die deutschen Touristen gerne besuchten, und als Land, das Deutschland junge Arbeitskräfte lieferte. Das Bild Griechenlands war bis dahin geprägt von dem Film Sonntags nie und den Kindern von Piräus oder dem Roman Alexis Zorbas von Nikos Kazantzakis.
Eine Reihe von Büchern zu Griechenland und zu der Diktatur sind damals erschienen, die die Entwicklungen im Land vor dem Putsch analysierten, die Verletzung der Menschenrechte durch die Junta anprangerten und in ihrer Mehrzahl die Optionen einer Nach-Junta Entwicklung je nach ideologischer Herkunft des Verfassers skizzierten. Die meisten der herausgebrachten Bücher wurden aus dem Englischen oder Französischen ins Deutsche übersetzt, andere wurden von deutschen oder in Deutschland lebenden griechischen Intellektuellen verfasst. Dazu kommen Berichte von Betroffenen, herausgeschmuggelt aus den Gefängnissen der Junta, wie der Folterbericht des Luftwaffenoberst Anastasios Minis oder der ergreifende Text von Professor Giorgos Mangakis, „Freiheit meine Liebe“, eine Liebeserklärung an die Freiheit und eine Liebeserklärung an Europa, geschrieben in den dunklen Gefängniszellen der Diktatur.
Frau Dr. Danae Coulmas hatte 1973 im Fischer Verlag das vielgeschätzte Buch Die Exekution des Mythos fand am frühen Morgen statt mit einer Auswahl kritischer Texte von griechischen Autoren herausgegeben, die nach Jahren des Schweigens 1973 in Athen drei Bände herausbrachten - die 18 Texte bzw. die Neuen Texte eins und zwei – es waren teilweise aus dem Gefängnis oder der Deportation herausgeschmuggelte Texte. So entstand eine umfangreiche, aber wie Asgar Skriver damals in der Zeit schrieb, leider wenig verbreitete Griechenland-Literatur. 1970 schrieb Vangelis Tsakiridis im Vorwort für das rororo-Buch Schwarzbuch der Diktatur in Griechenland:
„Drei Jahre nach der Errichtung der jüngsten Militärdiktatur in Europa hat die Weltöffentlichkeit anscheinend den Schreck überwunden und kehrt zu ihrer Gleichgültigkeit zurück. Während die westlichen Regierungen, mehr oder weniger behaglich, den Obristen die Hand reichen, verstummen die Presseattacken und ‚die freie Welt‘ geht in der Ägäis baden…“
Diese Gleichgültigkeit, von der Tsakiridis schreibt und die auf ganz Europa bezogen ist, versuchten in Deutschland nicht nur die fortdauernden Aktionen griechischer demokratischer Organisationen und deutscher Menschenrechtsinstitutionen, wie Amnesty International, zu durchbrechen, sondern auch kritische Berichte in liberalen Zeitungen, wie der Frankfurter Rundschau mit Analysen unter anderem von Angelos Maropoulos und Basil Mathiopoulos, der Süddeutschen Zeitung, in der Baldur Bockhoff nach seiner Ausweisung aus Griechenland weiterhin schrieb, der Zeit mit Kommentaren von Theo Sommer, Ansgar Skriver und anderen, oder auch Eberhard Rondholz im WDR und im Vorwärts.
Es waren auch immer wieder bestimmte Ereignisse, die an der Gewöhnungsapathie der deutschen Öffentlichkeit in Bezug auf Griechenland rüttelten, wie die Flucht aus Griechenland von Professor Mangakis in einer Bundeswehrmaschine, die Verhaftung des Bonner Professors Tsatsos durch die Militärpolizei, oder die bereits erwähnte Aktion von Günter Wallraf in Athen, die sogar den damaligen CSU Chef und Bewunderer der „Leistungen“ der Athener Junta Franz Josef Strauß veranlasste, sich „beratend“ an den griechischen Geschäftsträger in Bonn mit einem Schreiben zu wenden. Strauß schlug der griechischen Regierung vor, Wallraff auszuweisen statt ihn vor Gericht zu stellen, um ihn nicht „zu einem Märtyrer zu stilisieren“…
Auch die Ausstrahlung der Dokumentation von Amnesty International über das Schicksal von Eleni Voulgari, die bereits vor dem Obristenputsch zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war, weil sie einem politisch Verfolgten Unterschlupf gewährt hatte, und die mit ihrem minderjährigen Sohn weiterhin im Gefängnis bleiben musste, bewegte die deutsche Öffentlichkeit und fand eine breite Resonanz in den deutschen Medien. Nach Protesten der Athener Regierung und der griechischen Botschaft in Bonn, aber auch deutscher Unternehmen, die einen Verlust lukrativer Aufträge der Militärs in Griechenland fürchteten, durfte der Film nicht, wie geplant, im Fernsehen wiederholt werden.
Nur noch einen persönlichen Satz möchte ich zum Schluss hinzufügen: Ich bin diesem Land dankbar, dass es mir damals Schutz und Geborgenheit geboten hat und mir die Möglichkeit gab, in aller Freiheit journalistisch tätig sein zu können. Ich erinnere mich mit Dankbarkeit an die Bemühungen des Bundeskanzleramtes, 1973 meine Ausreise aus Griechenland zu erzwingen, nachdem mir der Pass abgenommen wurde und ich wegen „antinationaler Tätigkeit im Ausland“ von der Sicherheitspolizei festgehalten wurde.
Referat von Pantelis M.Pantelouris (Athen/Hamburg), Journalist,
bis 2012 Botschaftsrat für Presse und Information an der griechischen Botschaft in Berlin,
gehalten am 18. November 2016 beim Symposium der VDGG in Hannover.