#Lesestoff
11.06.2019
Vier Frauen im nördlichen Athener Vorort Kifissia, einem typischen High–Society–Viertel, durchaus vergleichbar mit Dahlem, Mitte der neunziger Jahre. Sie reden ständig von Männern, doch die Männer sind abwesend: In dem Stück gibt es keine männlichen Figuren. Die Frauen wollen unabhängig sein, sie wollen sich nicht wieder ihren ehemaligen Liebhabern hingeben, sie planen sogar eine gemeinsame Reise nach Thailand, von der sie »wie neugeboren« zurückzukommen hoffen. Aus diesem Stoff hat das Autorenduo Eleni Chaviara & Dimitris Kechaidis eine der erfolgreichsten neueren griechischen Satiren gemacht.
Wie neugeboren oder Mit Power von Kifissia zeichnet sich durch die frische und lebhafte Sprache, den pointierten Humor und vor allem durch eine kritische Behandlung der Geschlechterverhältnisse aus. So erhält das Stück eine politische Dimension und zugleich eine existentielle Tiefe, die hinter der humorvollen Fassade durchschimmern.
Aus unserer Reihe mit zeitgenössischen Theatertexten laden wir Sie zur Lektüre eines Auszugs von Mit Power von Kifissia ein.
Το εκδοτικό πρόγραμμα Edition Romiosini περιλαμβάνει μια σειρά ελληνικών θεατρικών έργων σε γερμανική μετάφραση. Τα κείμενα είναι δωρεάν προσβάσιμα στην ψηφιακή βιβλιοθήκη για ανάγνωση. Αναδημοσιεύεται απόσπασμα από το θεατρικό έργο των Ελένη Χαβιαρά και Δημήτρη Κεχαΐδη Με δύναμη από την Κηφισιά, το οποίο πρωτοπαρουσιάστηκε το 1995 στο θέατρο «Η νέα ΣΚΗΝΗ» σε σκηνοθεσία Λευτέρη Βογιατζή.
Wie neugeboren oder Mit Power von Kifissia (Auszug)
FOTINI: Ich hatte die Krise! Kaum sah ich die Harpune, hatte ich die Krise …
ALEKA: Das kann ich mir vorstellen.
FOTINI: Da war ’ s vorbei. Ich stand Kopf. Und: »Ich kann nicht mehr in diesem Vivari. Dieses Vivari, dieses ewige Vivari.« Er bricht den Aufenthalt ab, und wir fahren Hals über Kopf weg.
MARO: Also so was, der und sein Vivari …
ALEKA: Ganz recht … Der ist mit Vivari verheiratet …
MARO: Entsetzlich!
FOTINI: Und was hab ’ ich ihm nicht alles an den Kopf geworfen! ! Was hat er sich nicht alles anhören müssen, bis wir in Athen ankamen.
ALEKA: Das kann ich mir denken …
FOTINI: Hab ’ ich nicht etwa Recht gehabt? Hatte ich nicht Recht? Und um mich wieder umzustimmen, da –
ILEKTRA: – hat er dich mit Pralinen vollgestopft.
FOTINI: Pralinen und so weiter … und »Wenn du Vivari nicht magst … verkaufe ich das Haus in Vivari …«
MARO: Was du nicht sagst!
FOTINI: Und »Wenn du nicht willst, dass wir heiraten … dann heiraten wir eben nicht … Aber nicht Angst vor mir haben und dich bei Aleka verstecken …«
ALEKA: Das heißt, ein zartes Lämmchen.
FOTINI: Und »Ich jedenfalls mag Aleka … Und ich bedaure es, dass sie so leiden muss … und irgendwas muss geschehen.« … Kurz und gut – er hat Stefanos aufgesucht.
ALEKA: Was?
FOTINI: Er ging schnurstracks ins Unfallkrankenhaus.
ALEKA: Wann?
FOTINI: Heute morgen.
ALEKA: Das gibt ’ s doch nicht.
FOTINI: Ja, um Interesse zu zeigen, verstehst du?
ALEKA: Und was kam dabei heraus?
FOTINI: Der nimmt sich Stefanos vor und sagt zu ihm: »Was ist denn das für ’ n Blödsinn. Wegen eines lila Höschens …«
ALEKA: (Schämt sich) Igittigitt! Hat er ihm wirklich von dem lila Höschen erzählt?
FOTINI: »Wegen eines lila Höschens quälst du die Frau, die dich wie einen Gott verehrt hat«, sagte er.
ALEKA: Hat er ihm das gesagt?
FOTINI: »Und du sitzt da und hörst auf die Märchen von Patriarcheas?«
ALEKA: Der Schatz!
MARO: Da, so ist Antonis eben! Ein so feiner, sensibler Charakter, verstehst du?
FOTINI: Das hat er nur gemacht, um mir zu schmeicheln.
ALEKA: Und Stefanos! Was hat ihm Stefanos denn geantwortet?
FOTINI: Stefanos … hat ihm geantwortet: »Wenn Aleka nicht Schuldgefühle hätte … wenn sie, sagen wir, unschuldig wäre … würde sie dann die ganze Zeit hier herumschwirren? Den ganzen Tag im Krankenhaus? Die würde nicht hier herumschwirren. Die wäre beleidigt und hätte mich zum Teufel geschickt.«
ALEKA: Oh Gott!
MARO: Verdammte Scheiße!
FOTINI: Ja … Da packte Antonis die Wut, und er versuchte es andersherum. »Jetzt«, sagte er zu ihm, »sagst du deine Zukunft voraus. Denn Aleka wird nicht ewig warten. Die verlässt dich und geht mit ihren Freundinnen auf Reise. Jetzt reicht ’ s allmählich.«
ILEKTRA: Das saß!
FOTINI: »Die fährt mit ihren Freundinnen nach Thailand. Mit Maro und Fotini.«
ILEKTRA: Prima!
ALEKA: Hat er das gesagt?
MARO: Und Stefanos?
FOTINI: Der war angeblich baff. Sprachlos. Das heißt am Anfang … denn dann sagte er: »Na ja … Aleka? Die geht nirgendwohin. Die schwirrt hier in den Fluren herum und versucht, ihre Schuldgefühle reinzuwaschen.«
MARO: Siehst du, er hat ’ s nicht geschluckt. Aber Antonis, der ja immer das letzte Wort haben muss, sagt zu ihm noch: »Tschüss, ich bring dir dann die Fotos. Aleka in Thailand.«
ILEKTRA: Antonis gehört zweifellos zu den Großen! Zu den ganz Großen!
FOTINI: So was kann Antonis eben …
ILEKTRA: Habt ihr noch nicht kapiert, was das bedeutet?
MARO: Was bedeutet das denn?
ILEKTRA: Mensch, das ist ein Geniestreich! Denn wenn Stefanos die Fotos sieht, was macht er dann?
ALEKA: Was macht er denn dann?
ILEKTRA: Dann fällt er in deine Arme und nennt dich Alekalein.
ALEKA: Ha! Was quatschst du denn da?
ILEKTRA: Hast du das verstanden? Hast du das kapiert?
ALEKA: Er wird seinen Fehler einsehen!
ILEKTRA: Deshalb sag ’ ich ’ s dir doch. Antonis ist ein Genie!
MARO: Ja, aber woher kriegt er die Fotos?
ILEKTRA: Nichts leichter als das … Sie fährt nach Thailand und macht die Fotos.
MARO: So einfach!
ALEKA: Ich fahre, Maro, ich fahre.
ILEKTRA: Du fliegst nach Thailand, machst ein paar Fotos, von den Buddhas umschlungen –
ALEKA: Ich fahre. Was soll ich auch machen? Wo doch das Glück meines Lebens davon abhängt, fahre ich. Dort mach ’ ich so um die vierzig Fotos …
ILEKTRA: Dort bleibst du vierzehn Tage – du kannst ja nicht gleich wieder zurückfahren …
ALEKA: Kann ich nicht?
ILEKTRA: Mensch, Mama, bist du naiv. Wenn du gleich wieder da bist, hast du alles versaut.
MARO: Sie hat Recht, Aleka. Du kannst wirklich nicht gleich wieder zurück.
ILEKTRA: Und du musst so schnell wie möglich weg. Solange das Eisen noch heiß ist. Morgen früh nimmst du das Flugzeug und machst dich auf die Socken.
ALEKA: Morgen früh?
ILEKTRA: Solange das Eisen noch heiß ist.
MARO: Morgen früh, Aleka. Morgen früh nimmst du das Flugzeug und machst dich auf die Socken.
ALEKA: Ja, ja, morgen früh … O je, ich muss Makis im Reisebüro anrufen. (Geht zum Telefon) Ja, aber Antonis hat gesagt, ich fahre mit meinen Freundinnen.
MARO: Mit deinen Freundinnen?
ALEKA: Mit Maro und Fotini. Hat Antonis das nicht so gesagt?
FOTINI: Das hat er.
MARO: Das hab ’ ich nicht so verstanden. Was du nicht sagst …
ALEKA: Auf den Fotos müsst auch ihr erscheinen.
MARO: Das hab ’ ich nicht mitgekriegt …
ALEKA: Weil Stefanos sonst glaubt, ich sei mit einem Liebhaber unterwegs.
MARO: O je.
ALEKA: Ganz sicher.
MARO: Und jetzt?
ALEKA: Was, jetzt? Wir müssen nach Thailand. Anders geht ’ s nicht. Um die Fotos zu machen.
MARO: (Zu Fotini) Sag mal … Wieso hat Antonis eigentlich mich ins Spiel gebracht? Warum?
FOTINI: Was soll ich dir dazu sagen … Denkt darüber nach … Diskutiert das aus … Löst eure Tickets … Denn ich komme selbstverständlich nicht mit.
ALEKA: Wie bitte?
FOTINI: Ich hab ’ keinen Bock auf Thailand.
ALEKA: Wollten wir denn nicht nach Thailand fahren? Hatten wir das nicht fest ausgemacht?
FOTINI: Jetzt? Unter diesen Umständen? Mit der Billigung und den guten Wünschen von Antonis? Ich hab ’ keinen Bock auf Thailand.
MARO: Sag mal, wie sind wir eigentlich auf Thailand gekommen?
FOTINI: Was, wie »gekommen«?
ALEKA: Um Stefanos zu überzeugen, Maro …
MARO: Und wie kam Antonis auf Thailand?
ALEKA: Ja wollten wir denn nicht nach Thailand?
MARO: Ja, aber woher wusste Antonis davon?
FOTINI: Ich hab ’ s ihm gesagt.
MARO: Du hast ’ s ihm gesagt?
FOTINI: Das ist mir während meiner Krise so rausgerutscht.
MARO: Was für ’ ne Krise?
FOTINI: Bei der Krise, die ich in Vivari hatte.
MARO: Du hast dich nicht unter Kontrolle, Fotini. Du hast dich nicht unter Kontrolle!
FOTINI: Ja, aber weißt du, was ich befürchte? Dass er das absichtlich gemacht hat.
ALEKA: Wer?
FOTINI: Antonis. Der hat das absichtlich gemacht, um mich nach Thailand zu schicken.
ALEKA: Moment mal, das hat er für Stefanos gemacht … Damit er ihm vertraut …
FOTINI: Ach was, Stefanos? Der hat das absichtlich gemacht. Denn als ich ihm in meiner Krise gesagt habe, dass ich mit meinen Freundinnen nach Thailand fahre, dreht er sich um, und was sagt er mir? – »Fahr nur, das wird deinen Nerven gut tun.«
MARO: Hat er das gesagt?
FOTINI: Stell dir das vor.
ALEKA: Wenn er das gesagt hat, dann wird es dir auch gut tun.
FOTINI: Und dabei spielt er noch den Großzügigen, verstehst du? Als würde er mir praktisch Prozente für die Freiheit schenken –
MARO: Verdammt noch mal!
FOTINI: – um mich zu ködern, ihn zu heiraten.
MARO: Ganz schön verzwickt.
FOTINI: Ja, verstehst du? Verstehst du, was er mit mir macht?
MARO: Ganz schön verzwickt! (Zündet sich eine Zigarette an)
ALEKA: Na ja, was soll er auch machen? Er kämpft.
FOTINI: Er kämpft, aber diesmal kriegt er ’ s nicht durch.
ALEKA: Aber, Fotini, du fährst doch nicht wegen Antonis. Wegen Antonis fährst du? Für mich fährst du.
FOTINI: Du hast mich rausgeschmissen.
ALEKA: Ich hab ’ dich rausgeschmissen? Wann denn?
FOTINI: Mit der größten Selbstverständlichkeit!
ALEKA: Bist du noch zu retten?
FOTINI: Mit der größten Selbstverständlichkeit!
ALEKA: Was quatschst du denn da?
FOTINI: Erst hast du mich hier drin eingesperrt … »Jetzt fahren wir bald« … »jetzt fahren wir bald« … Zehn Tage hier drin eingeschlossen und ich drauf und dran, verrückt zu werden! Und dann hast du mich quasi per Einschreiben zu Antonis geschickt.
ALEKA: Hört mal, was die behauptet! Hört mal, was die behauptet!
FOTINI: … Und du hast angeblich eine Träne gesehen und solchen Schwachsinn …
ALEKA: Hört mal, was die behauptet!
FOTINI: Und jetzt hast du die Stirn, von mir zu verlangen, mit nach Thailand zu kommen?
ALEKA: Nun hör mir mal gut zu, Fotini –
FOTINI: Ich fahre nicht nach Thailand, auch wenn man mich erschießen würde!
MARO: Du hast doch Antonis von Thailand erzählt. Dann fährst du also jetzt auch nach Thailand.
ALEKA: Lass sie doch, Maro.
MARO: Nein, Aleka …
ALEKA: Lass sie doch.
MARO: Sie wird den Schwachsinn bezahlen, den sie angerichtet hat.
ALEKA: Nun, Maro, ich will nicht, dass sie mitkommt.
MARO: Was soll das heißen, du willst nicht, dass sie mitkommt.
ALEKA: Nach dem, was sie zu mir gesagt hat? Dass ich sie rausgeschmissen habe?
FOTINI: Mit der größten Selbstverständlichkeit! Mit der größten Selbstverständlichkeit !
ALEKA: Ich will nicht, dass du mitkommst, Fotini. Ich fahre mit Maro. Wir fahren so bald wie möglich. Morgen früh –
MARO: Ich kann nicht …
ALEKA: Was soll das heißen, du kannst nicht? Ich verstehe nicht …
MARO: Morgen bin ich für Delphi verabredet … Ich kann nicht …
ILEKTRA: Nach Delphi? Was wollt ihr denn in Delphi?
MARO: Er will, dass wir uns zusammen den Wagenlenker ansehen … Ich kann nicht.
ILEKTRA: Na ja, schön, übermorgen.
MARO: Übermorgen? (Denkt nach) Schwierig … Sehr schwierig …
ALEKA: Nun hör mir mal gut zu … Ich liege in diesem Moment in den letzten Zügen, und du erzählst mir was vor von einem Wagenlenker?
MARO: Aleka, ich kann nicht nach Thailand fahren.
ALEKA: Und verkaufst mich für einen Nazi?
FOTINI: Nazi? Wer ist ein Nazi?
MARO: Ihr habt ihn zu einem Nazi erklärt.
FOTINI: Der Blonde ist ein Nazi?
MARO: Hab ’ ich behauptet, er sei ein Nazi?
ALEKA: Du verkaufst mich für einen Nazi!
MARO: Du und Ilektra habt ihn zum Nazi erklärt.
ILEKTRA: Hast du uns nicht gesagt, er sei ein Nazi?
MARO: Ich hab ’ euch von einem Vorfall berichtet.
FOTINI: Heißt das, Leute, er hat sich als Nazi entpuppt?
MARO: Das wissen wir nicht.
ALEKA: Mensch, haben wir nicht gesagt, den schmeißt du raus?
MARO: Wenn ich mir sicher bin, dass es ein Nazi ist, dann schmeiße ich ihn raus.
ALEKA: Hör dir die an, hör dir die bloß an! … Und ich habe in der Nacht Alpträume, dass du in Gefahr bist … und seh ’ dich in Schluchten und Gräben … Die ganze Nacht über, wenn du ’ s genau wissen willst … und lebe mit dieser Angst, dass du dich mit einem Nazi eingelassen hast … und sterbe vor Angst und zittere …
FOTINI: Keine Angst, Aleka … Ich habe im letzten Jahr in Portaria einen Nazi kennengelernt … Der saß in einem Sessel, ohne ein Wort zu sagen und strafte alle mit Verachtung. Besonders die, die rauchten. Weil die nicht den Willen hätten, damit aufzuhören. Deiner, raucht der?
MARO: Hin und wieder schon.
FOTINI: Möglicherweise ein Sympathisant … ein Sympathisant … Denn es gibt auch diese Kategorie, Aleka … die der Sympathisanten.
ALEKA: Weiß ich nicht …
FOTINI: Außer er ist ein so hochstehender Nazi, dass er sich als normaler Mensch darstellt. Dann allerdings ist meine Weisheit am Ende.
MARO: Das ist er nicht, Fotini, das ist er nicht … Sympathisant kann sein … Aber hochstehend? Nein, ausgeschlossen.
FOTINI: Sag mal, wo ist er denn gerade? Wo befindet er sich?
MARO: Er schläft. Er wartet darauf, dass ich ihn wecke und ihm einen Kaffee mache.
FOTINI: Ich brenne darauf, ihn kennenzulernen.
ALEKA: Ich jedenfalls sag es euch klipp und klar, damit ihr es wisst. Wenn mir diese Gelegenheit durch die Lappen geht, Stefanos für mich zu gewinnen … dann flippe ich aus! Dann lauf ich über die Felder und singe Volkslieder … (Sie weint.)
MARO: (Dreht durch) Ich werde ihn verlieren, Aleka … Ich werde ihn verlieren, das sollst du wissen …
ALEKA: Wegen dieser zwei Wochen wirst du ihn verlieren?
MARO: Ich werde ihn verlieren … werde ihn verlieren …
ILEKTRA: Keine Angst. Die gehen nicht so leicht verloren.
MARO: Das hab ’ ich schon mal erlitten, Ilektra. Wenn ich ’ s nicht schon mal erlitten hätte …
ALEKA: Lass sie, Ilektra … Lass sie … Ich kenne mein Schicksal … (Sie weint.)
MARO: Was wir hier durchmachen, um alles in der Welt? Was wir hier durchmachen! Womit haben wir das verdient?
ALEKA: Ich kenne mein Schicksal … (Große Pause)
MARO: Moment mal … Hektor fährt am Samstag nach Luxemburg … Er kommt zurück … warte mal … am Montag, und Montag ist der Achte … Dienstag der Neunte, Mittwoch der Zehnte … Am Elften müsste ich zurück sein. Denn wenn wir übermorgen fliegen, verliere ich zwei Tage, an denen ich nicht bei ihm bin … Ich will dieses Opfer bringen, aber ich will da sein, wenn er zurückkommt … Ich verliere hier zwei Tage und gewinne sie dort … Am Elften muss ich zurück sein.
ALEKA: Für zwei Tage? Für zwei Tage nur?
MARO: Ich weiß nicht. Wenn er seinen Fuß am Elften wieder auf griechischen Boden setzt, will ich auf dem Flugplatz sein und ihn empfangen.
ALEKA: So sehr? So sehr?
MARO: Du kannst nicht alles für dich haben, Aleka … Du darfst nicht alles für dich haben wollen … Wenn Hektor kommt, will ich hier sein.
ALEKA: (Denkt nach) Sei ’ s drum …
MARO: Ich muss ja jetzt erst einmal sehen, wie ich ihm das sage … Wie ich ihm das beibringe … Denn er wird sehr traurig sein, dass ich übermorgen wegfahre … (Zu Fotini) Und du, du hast einfach keine Kontrolle über dich … hast keine Kontrolle …
FOTINI: Los, bist du noch nicht weg? Wann wird der Mensch denn seinen Kaffee bekommen?
MARO: Ja, ich geh und mach ihm einen Kaffee.
ALEKA: Da, nimm doch noch diese Trüffelpralinen mit … Sie sind frisch.
MARO: Ah, schön …
ALEKA: Sag ihm, die schickt Aleka.
MARO: Meine liebe Aleka! (Sie umarmt sie.)
ALEKA: Los jetzt … (Sie gibt ihr die Pralinen.)
MARO: Schön. Also, ich bin dann weg …
FOTINI: Sag ihm auch schöne Grüße von Fotini.
MARO: Ja, ja … Ich muss ihm auch noch Zigaretten mitbringen vom Kiosk … (Geht ab)
ALEKA: Oh Gott! Ich bin ganz durcheinander … Völlig durcheinander! … Was soll ich denn jetzt zuerst machen? … Eins nach dem anderen … immer der Reihe nach … (Geht zum Telefon) Sag mal, Fotini … Wo wohnst du denn dann die ganze Zeit über?
FOTINI: Was für ’ ne Zeit über?
ALEKA: Wenn wir weg sind. Du kannst ja schließlich nicht durch Kifissia ziehen und einen Schaufensterbummel machen …
FOTINI: Warum kann ich das nicht?
ALEKA: Hat Antonis nicht gesagt, wir drei fahren nach Thailand? Dass auch du mitkommst?
FOTINI: Na und, wenn schon?
ALEKA: Es muss klar sein, dass du auch weg bist. Mensch, wieso haben wir das denn nicht bedacht, Ilektra?
FOTINI: Er hat gesagt, ich komme mit – und dann bin ich eben nicht mitgekommen.
ALEKA: Dann steht Antonis als Lügner da? Dann ist alles aus!
ILEKTRA: (Zu Fotini) Mensch, da hat sie Recht …
ALEKA: Jetzt ist alles geplatzt!
ILEKTRA: Dann wird Stefanos nämlich sagen: »Noch eine Lüge? Und noch eine Lüge?«
ALEKA: Oh Gott, oh Gott, das wäre was gewesen!
FOTINI: Mensch, ich hab ’ mir ’ s einfach anders überlegt … Im letzten Moment hab ’ ich ’ s mir anders überlegt.
ALEKA: Ne ne ne ne ne! Du musst verschwinden.
FOTINI: Verschwinden? Wie soll ich denn verschwinden?
ALEKA: Bank, Kino, Restaurantbesuch, Kiosk für Zigaretten – all das kannst du vergessen.
FOTINI: Wie?
ALEKA: Und das Auto geparkt und unberührt. Kein Telefon und nichts. Vom Erdboden verschwunden.
FOTINI: Was quatschst du denn da?
ALEKA: Denn wenn auch nur das Kleinste vorfällt und Stefanos erfährt, dass das alles nur gestellt war … sitze ich in der Tinte! Hast du das verstanden, Ilektra? Es braucht nur das Geringste schief zu laufen, und ich bin verloren!
ILEKTRA: Du bist verloren?
FOTINI: Moment mal, wovon sprecht ihr eigentlich? Ich soll mich einschließen?
ALEKA: Anders geht ’ s nicht. Du musst dich einschließen. Aber wo schließt du dich ein? Deine Wohnung, die von Maro, von Antonis und unsere hier kannst du vergessen. Der beauftragt jetzt bestimmt seine Nichte Christina, alles auf den Kopf zu stellen, alles genauestens zu untersuchen. Und weißt du, was »Christina« heißt? Die ruft deine Mutter an – oh Gott! Die wird Antonis nicht aus den Augen lassen. Oh Gott. Wir sind verloren! Wenn wir in die Fänge von Christina geraten, sind wir verloren! Oh Gott, oh Gott!
FOTINI: Und was mach ’ ich denn jetzt? Wohin soll ich denn?
ALEKA: Keine Ahnung, woher soll ich das wissen? Du musst verschwinden, dich auflösen.
FOTINI: Was heißt hier verschwinden, Aleka? Wie soll ich denn verschwinden?
ALEKA: Was weiß ich? Geh in Antonis ’ Sommerhaus.
FOTINI: Nach Vivari?
ALEKA: Nach Vivari!
FOTINI: Allein? Ich kann doch keine Minute allein sein. Und soll allein in Vivari bleiben? … Fünfzehn Tage in Vivari? … Bei euch tickt ’ s wohl nicht mehr richtig? In Vivari, ich? … Ich allein in Vivari eingeschlossen?
ALEKA: Was ist denn da schon dabei? Was soll da denn schon passieren?
FOTINI: Und hinter mir die Käuzchen … (Ilektra lacht.) Wie? Du lachst? Das letzte Mal haben mich die Käuzchen angegriffen, und ich wäre beinahe verrückt geworden.
ALEKA: Was denn für Käuzchen? Was denn für Käuzchen?
FOTINI: Die Käuzchen, meine liebe Aleka … Antonis musste zu einer außerterminlichen Verabredung … und da kamen aus dem Weinberg Käuzchen …
ILEKTRA: Ach was!
FOTINI: Die sahen das Licht … was weiß ich? Jedenfalls kamen die und setzten sich rundum auf die Bäume und begannen, mich zu beweinen. Soll ich so was noch mal durchmachen?
ALEKA: Ja aber, wohin willst du denn sonst? Was machst du denn dann?
FOTINI: Keine Ahnung, was ich machen soll. Nach Vivari geh ’ ich jedenfalls nicht. Und einschließen kann ich mich auch nicht.
ALEKA: Oh mein Gott … die ist mein Untergang …
FOTINI: Das brauchst du gar nicht zu diskutieren … gar nicht zu diskutieren. Ich und nochmal eingeschlossen werden, das geht nicht.
ALEKA: Die ist mein Untergang … mein Ende …
FOTINI: Immer schließt ihr mich ein … ein und noch mal ein … Ich darf doch sehr bitten … Irgendwann sind auch meine Grenzen erreicht, Aleka. Opfer bringen und nochmal Opfer bringen, aber bis zu einem gewissen Grad. Wollt ihr mich kirre machen? Ich darf doch sehr bitten! Wie viel hält der Mensch aus? Wie viel braucht es, bis einer ausflippt? Wie viel?
(Pause)
ALEKA: Schön. Dann kommst du eben mit.
FOTINI: Nach Thailand? Ausgeschlossen!
ALEKA: Ich lasse dich nicht hier allein, Fotini. Du kommst mit mir. Schluss jetzt.
FOTINI: Zunächst einmal, du willst mich nicht dabeihaben. Hast du das nicht gerade gesagt, dass du mich nicht dabeihaben willst und mit Maro fährst? Dann fahr auch mit Maro.
ALEKA: Das brauchen wir gar nicht lange zu erörtern. Ich lass dich nicht hier.
FOTINI: Ich kann nicht mitkommen, Aleka … Das hat auch etwas mit Würde zu tun.
ALEKA: Denn mittlerweile sehe ich ganz klar. Da klingelt das Telefon … du nimmst den Hörer ab, sagst hallo … und der andere legt auf. Na, und ab dann ist das Leben für immer erloschen! Und ich ende in der Gruppentherapie … und suche Verständnis bei den Verzweifelten …
(Pause. Aleka zieht sich zurück. Sie spielt das Opfer.)
FOTINI: Und überhaupt, soll ich etwa dahingehen, wo Antonis mich hinschickt?
ILEKTRA: Besser als hier drin eingeschlossen herumzusitzen und Gespenster zu sehen …
FOTINI: Da läuft nichts. Der muss seine Strafe bekommen. Damit ich mein Gleichgewicht wiederfinde, verstehst du das?
ILEKTRA: Kann ich dir mal was sagen?
FOTINI: Du kannst mir gar nichts sagen!
ILEKTRA: Hör mal …
FOTINI: Besteh nicht drauf. In diesem Punkt bin ich kompromisslos.
ILEKTRA: Mensch, das machst du dann danach.
FOTINI: Danach? Wann danach?
ILEKTRA: Jetzt fährst du erst mal nach Thailand, kommst wieder zurück; er glaubt inzwischen, er habe sich durchgesetzt, und beruhigt sich … Und eines Tages macht es plötzlich bummm! Du sagst: »Ich geh schnell mal runter Zigaretten holen«, und in drei Stunden bist du in Paris und trinkst dort Kaffee … »Wo? Aber … Wie? Habt ihr sie vielleicht gesehen?« Nichts …
FOTINI: In Paris?
ILEKTRA: Du machst ihn einfach völlig verrückt. Ist das nicht deine Absicht?
FOTINI: Das ist gut …
ILEKTRA: In dem Moment, wo er meint, er habe alles arrangiert und fest im Griff … zack, eins auf den Kopf!
FOTINI: Das ist gut …
ILEKTRA: Und dann wirst du einen Antonis erleben … Na ja, das wird der pure Wahnsinn.
FOTINI: Das ist gut … Das ist sehr gut …
ALEKA: Meine liebe Fotini …
FOTINI: Einen Moment … Lasst mich einen Moment nachdenken … Einen Moment. (Pause) Nein, das geht nicht. Ich muss mitkommen.
ALEKA: Das sag ’ ich ja schon die ganze Zeit, dass du mitkommen musst.
FOTINI: Es geht nicht, Aleka, dass ich nicht mitkomme. Ich muss mitkommen.
ALEKA: Du musst mitkommen.
FOTINI: Ich muss mitkommen. Denn schau mal … Wenn ich nicht mitkomme, du – was immer auch geschehen mag, wirst alles auf mich schieben. Also – komme ich mit.
ALEKA: Das ist doch mein Wunsch. Dass du mitkommst.
FOTINI: Ich komme mit, Aleka. Es geht einfach nicht, dass ich nicht mitkomme.
ALEKA: Meine liebe Fotini …
FOTINI: Es geht nicht, dass ich nicht mitkomme.
ALEKA: (Umarmt sie) Meine Fotini, meine liebe kleine Fotini!
FOTINI: Denn wenn ich nicht mitkomme – ich komme mit.
(Aleka fällt erledigt und erleichtert auf das Sofa.)
FOTINI: Und das mit ihm regle ich danach.
ILEKTRA: Das regelst du danach … (Zu Aleka) Auf geht ’ s, jetzt musst du endlich die Tickets besorgen.
ALEKA: (Steht auf) Ach, den Fotoapparat! Wo haben wir denn den Fotoapparat?
ILEKTRA: Was weiß ich? Irgendwo wird er schon sein.
ALEKA: Was heißt »Irgendwo wird er schon sein«?
ILEKTRA: Irgendwo da oben. Such halt!
ALEKA: (Geht, um ihn zu suchen – hält inne) Und wie soll ich ihm dann wieder in die Augen blicken?
ILEKTRA: Wem denn?
ALEKA: Wenn ich aus Thailand zurückkehre … Wenn er mir in die Augen blickt und sagt: »Ich frage dich zum letzten Mal. Bist du mit dem Dirigenten gegangen?«
ILEKTRA: Dann wirst du ihm mit Power begegnen.
ALEKA: Was soll ich ihm dann sagen?
ILEKTRA: Du sagst ihm »nein«.
ALEKA: Vor diesem Augenblick habe ich Angst … Vor diesem ersten Moment …
ILEKTRA: Wir haben ’ s doch schon gesagt, du sagst ihm »nein«.
ALEKA: Wenn ich das schaffe und mich in diesem Moment zurückhalten kann … (Geht ab)
ILEKTRA: Und dann kommt er wieder hier her … Im Morgenrock, mit seinen Arien … Morgenrock und Arien …
(Pause)
FOTINI: Und mit wem fahre ich eigentlich?
ILEKTRA: Wohin denn?
FOTINI: Nach Paris. Ich allein?
ILEKTRA: Daran soll die Sache jetzt scheitern?
FOTINI: Allein geh ’ ich auf keinen Fall auf Reisen …
ILEKTRA: Wir fahren zusammen.
FOTINI: Denn ich allein –
ILEKTRA: Sobald wir den Film im Kasten haben, fahren wir am nächsten Tag.
FOTINI: Denn auf die kann ich nicht bauen.
ILEKTRA: Auf mich kannst du dich verlassen.
FOTINI: Zu denen hab ’ ich kein Vertrauen.
ILEKTRA: Wenn ich es dir doch sage, wir fahren zusammen …
FOTINI: Wenn wir zusammen fahren …
ILEKTRA: Und wenn du ’ s genau wissen willst … ich hau einfach ab von Jason. Der muss nämlich auch mal eins abbekommen. Der hat mir eine Szene gestrichen. »Wir müssen die Aufnahmen einschränken«, hat er behauptet und einfach meine Rolle gekürzt.
FOTINI: Verstehe … Der muss also auch büßen.
ILEKTRA: Er hat mir eine Szene gestrichen.
(Pause)
FOTINI: Ich war schon lange nicht mehr in Paris … Dann trinken wir aber auch einen Kaffee auf dem Montmartre …
ILEKTRA: Auf dem Montmartre … oder wo immer du willst.
FOTINI: Außer, du willst lieber nach Martinique …
ILEKTRA: Nach Martinique?
FOTINI: Seit meiner Kindheit wollte ich immer schon mal nach Martinique … Mein Onkel hatte da ein paar Briefmarken mit der Aufschrift »Martinica« … Und da waren Ochsen drauf mit gewaltigen Hörnern … und schwarze einheimische Frauen in ihren bunten Gewändern … mit Körben auf dem Kopf …
ILEKTRA: Sag mal, wenn du auf Reisen bist, stehst du da früh morgens auf?
FOTINI: Keine Angst …
ILEKTRA: Und rennst überall hin... Sightseeing … und so was?
FOTINI: Du bestimmst das Programm … Was du willst...
ILEKTRA: Wenn du mich fragst, am liebsten würde ich auf einem Flussschiff schlafen …
FOTINI: Dann fahren wir eben nach Ägypten … Dort ist man so schön müde … Kaum setzt man seinen Fuß auf ägyptischen Boden, wird man schon müde … So hat man mir berichtet …
ILEKTRA: Auf dem Nil … Schön … Aber ich bin auch einem Kaffee auf dem Montmartre nicht abgeneigt …
FOTINI: Es gibt natürlich auch noch unbekannte Gegenden, die keiner vermutet …
ILEKTRA: Und da verlieren wir uns plötzlich …!
FOTINI: Ganz plötzlich …!
ILEKTRA: Und davon sagen wir nie jemandem was!!! Wo wir waren, was wir gemacht haben … nichts!
FOTINI: Auch vor den beiden reißen wir aus …
ILEKTRA: Auch vor den beiden …
FOTINI: Plötzlich …!
ILEKTRA: Plötzlich! … Und das wird unser ewiges Geheimnis bleiben … Ein Abschnitt unseres Lebens, dunkel für alle …
FOTINI: Teuflisch …!
ILEKTRA: Kannst du ein solches Geheimnis für dich behalten? Denn dich überfällt ’ s plötzlich und –
FOTINI: Keine Angst … keine Angst …
ILEKTRA: Denn das wird eines jener Geheimnisse sein, die – sagen wir mal – zehn Jahre überdauert haben … und das Flugzeug stürzt ab, und du bist drin und hast keine Hoffnung auf Rettung … weil das Flugzeug aus dreitausend Metern Höhe direkt auf Beton herabfällt …
FOTINI: Auf Beton?
ILEKTRA: … und du weißt, im nächsten Augenblick wirst du zu Staub …
FOTINI: Was soll das denn jetzt?
ILEKTRA: … Und es bleiben dir nur noch ein paar Sekunden zum Leben … Und Jason fragt dich, und meine Mutter fragt dich, und Antonis fragt dich: »Sag uns endlich, wo ihr wart, als ihr plötzlich verschwunden seid … Was habt ihr da gemacht?« Und du sagst nichts!!
FOTINI: Nichts!
ILEKTRA: Bist du entschlossen, dieses Geheimnis für immer zu behalten?
FOTINI: Entschlossen, meine liebe Ilektra, entschlossen!!!
ILEKTRA: Auch wenn das Flugzeug abstürzt?
FOTINI: Ein bisschen makaber ist es schon …
ILEKTRA: Auch wenn es abstürzt?
FOTINI: Auch wenn es abstürzt, auch wenn es abstürzt …
Aus: Eleni Chaviara, Dimitris Kechaidis, Wie neugeboren oder mit Power von Kifissia, Berlin, Edition Romiosini, 2018.
Aus dem Griechischen übersetzt von Hans Eideneier.