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#Editorial

07.10.2019

Andreas Grohmann

Andreas Grohmann

Emil war gerade mal 23 Jahre alt, als er 1871 zum Arbeiten von Sachsen nach Griechenland zog; 13 Jahre später wurde er Großunternehmer auf Serifos, dort gründete er ein Montanunternehmen und seine deutsch-griechische Familie, die Grohmanns. Anderthalb Jahrhunderte später erzählt uns Andreas, der älteste Nachfahre dieser Familie, die mit Namen wie Christomanos, Jeroulanos oder Mitsotakis, aber auch mit der wechselvollen Geschichte der deutsch-griechischen Beziehungen eng verflochten ist, Geschichten über seine Familie. Es sind Bruchstücke einer Familiengeschichte, die im Kleinen einen Ausblick auf das Panorama der deutsch-griechischen Beziehungen gewähren: ein Vorausblick auf die zahlreichen „Mikrogeschichten“, die es in Kürze im Online-Compendium der deutsch-griechischen Verflechtungen zu entdecken gilt.

Ο Ανδρέας Γκρώμαν, γόνος μιας ελληνογερμανικής οικογένειας που δημιουργήθηκε στη Σέριφο στα τέλη του 19ου αιώνα, δίνει με μια συνέντευξή του ένα ζωντανό παράδειγμα των μικροϊστοριών που φωτίζουν όψεις της ιστορίας των ελληνογερμανικών σχέσεων, όπως αυτές που θα παρουσιάζονται στο Online-Compendium των ελληνογερμανικών διασταυρώσεων.

Prof. Dr. Andreas Grohmann wurde 1937 in Athen geboren und kam im Zuge des Zweiten Weltkriegs mit seiner Familie nach Deutschland. Nach dem Studium der Chemie in Mainz und Berlin war er seit 1968 am Berliner Institut für Wasser-, Boden- und Lufthygiene im Bereich der Wasseraufbereitung sowie seit 1988 als Honorarprofessor an der TU Berlin für Wasserchemie und Wasseraufbereitung tätig. Zwischen 1990 und 1997 war er Leiter der Fachkommission Soforthilfe Trinkwasser zur Sanierung der Wasserversorgung in den neuen Ländern, von 1997 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2000 Leiter der Abteilung Trinkwasserhygiene und Badebeckenwasserhygiene im Umweltbundesamt.

Das Interview führten Evi Grammenou und Marco Hillemann.

Wann und wie kam die Familie Grohmann nach Griechenland?

Einzelheiten sind mir aus den schriftlichen Erinnerungen der Großmutter Ismene Grohmann (Die „Grohmänner“ und ihre Vorfahren. Schicksale und Lebenswege, Herford 1968) zugänglich. In den 1870er Jahren suchte die Griechische Metallgesellschaft, deren Eigentümerin die Nationalbank von Griechenland war, für ihre Bergwerke einen tüchtigen Bergingenieur. Sie wendete sich an den bekannten Professor für Chemie Anastasios Christomanos. Dieser empfahl einen Absolventen der Bergakademie Freiberg in Sachsen. Emil Grohmann, der dort gerade sein Studium mit Auszeichnung beendet hatte, nahm die Gelegenheit wahr, und so kam der 23 Jahre junge Spross der Familie Grohmann aus Löbau (wo es immer noch eine Grabstätte der Familie gibt, mit einem Grabstein aus griechischem Marmor) 1871 nach Griechenland. Zunächst wurde er im Hause Christomanos aufgenommen und arbeitete in den Gruben von Lavrion und Kymi (Euböa). Er heiratete Fänarete Platis, geb. Zygomalas, Witwe des vormaligen Aufsichtsratsmitglieds der Metallgesellschaft, Mutter dreier Kinder. Bald darauf erwarb er Schürfrechte, zunächst in Kymi, dann auf Serifos. Die Griechische Metallgesellschaft konnte die Gruben in Serifos nicht halten und verkaufte sie an die „Société des mines de Seriphos-Spiliazeza au Laurium“, deren Eigentümer der Bankier Andreas Syngros und Kaufleute aus Konstantinopel waren (Spiliazeza ist ein kleiner Vorort von Lavrion). Emil Grohmann übernahm als Unternehmer von dieser Firma die Schürfrechte auf Serifos, und die Familie zog etwa 1884 dorthin. Nach seinem frühen Tod 1904 im Alter von lediglich 56 Jahren wurde der 28-jährige Sohn Georg Grohmann in die Rechte des Vaters eingesetzt. 1934 übernahm der Enkel Emil Grohmann die Leitung der Gruben in Serifos.

Das Bergbau-Unternehmen Grohmann war noch bis zum Ende des 2. Weltkrieg tätig, in dem es Chrom- und Nickelerze nach Deutschland lieferte, danach zerbrach es. Heutzutage ist der Name Grohmann mit der Produktion von hochwertigem Olivenöl der Marke „Belessi“ aus der nördlichen Peloponnes verknüpft, die ein Nachfahre der Familie auf dem ererbten Landgut betreibt. Erhalten hat sich auch der Name „Ktima Grohmann“ für ein Grundstück an der Küste südlich von Athen.

Welche Bedeutung spielte die deutsche Herkunft der Familie für ihr Leben in Griechenland, inwiefern nahm sie sich als Teil der lokalen Gesellschaft wahr und welchen Kontakt pflegte sie zu anderen deutschstämmigen Familien in Griechenland?

Die Bindung der Familie Grohmann an Deutschland war immer sehr eng, nicht nur die familiäre Bindung an Löbau in Sachsen, dem Geburtsort. Der Sohn Georg wurde mit 12 Jahren auf ein Gymnasium in Dresden geschickt und kehrte erst nach dem Studium in Clausthal 1901 nach Athen zurück, um Pflichten im Unternehmen des Vaters, insbesondere auf Serifos, zu übernehmen. Selbstverständlich studierten alle Nachkommen, die fließend Deutsch und Griechisch sprachen, an deutschen Universitäten und selbstverständlich gab es enge wirtschaftliche Beziehungen zu Nordeuropa im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen. Beispielsweise waren Eisenhütten im nördlichen Europa wichtige Abnehmer des Eisenerzes aus Serifos, dessen Kalkgehalt ein gutes Verkaufsargument für die Ergänzung von eher sauren Eisenerzen mit hohem Eisengehalt war. Ingenieure aus Deutschland waren immer willkommen. Sie blieben meist nicht lange, bis auf einen Mineralogen, Herrn Resch, den es lange auf Serifos hielt.

Kontakt zu Familien mit engen Beziehungen zu Deutschland waren etwas Normales, ebenso auch familiäre Bindungen durch griechisch-deutsche Heiraten. Ebenso normal war die Einbindung in die griechische Gesellschaft, so dass für die nachfolgenden Generationen Griechenland zur Heimat wurde und Georg und seine Kinder und Enkel griechische Staatsbürger wurden.

Enge Beziehungen zu Deutschland ergaben sich besonders auch über die Familie des Arztes Marinos Geroulanos, des Vaters meiner Mutter. Seine deutsche Frau Margarita, geb. Mitzlaff, war über die evangelische Gemeinde in Athen eng mit Deutschland verbunden. In Athen sorgte sie gemeinsam mit der Krankenschwester Helene Hamann für wirksame Hygiene in den Kliniken, an denen Marinos Geroulanos als Chirurg tätig war.

Die Familie Grohmann hat einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands geleistet. Auf der anderen Seite kam es auch zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen dem Unternehmen und dessen Arbeiterschaft, etwa in einem blutigen Streik von 1916, der mehrere Tote forderte. Wie beurteilen Sie die Rolle Ihrer Familie aus heutiger Perspektive?

Emil Grohmann, der ältere wie auch der jüngere in der dritten Generation, sind auf Serifos als streng, aber fürsorglich und gerecht in Erinnerung geblieben. Auch nach dem Krieg, als ich 1957 als Student einen Sommer auf Serifos verbrachte, war die Erinnerung in den Familien von ehemaligen Minenarbeitern positiv. Der Streik von 1916 ist bedeutsam für die Arbeiterbewegung in Griechenland, auf dem Weg zum 8-Stunden-Tag. Leider ist es durch Unachtsamkeit der beteiligten Gendarmen zu Todesfällen gekommen. Die Familie Grohmann war nicht involviert. Georg Grohmann, der Leiter des Unternehmens, war zur Zeit des Streiks nicht auf Serifos, sondern wegen seiner vielen anderen Verpflichtungen in Athen. Die Ereignisse während des Streiks haben ihn aber sehr bedrückt, wie seine Frau in ihren Memoiren schildert.

Wie kamen Sie mit Ihrer Familie nach Deutschland?

Der Umsturz nach 1933 und das Inferno des 2. Weltkrieges zwangen die Familie, sich zwischen Deutschland und Griechenland zu entscheiden, was nicht leicht war. Das ungeheure Problem der Verfolgten mit jüdischer Abstammung, von dem auch Freunde der Familie betroffen waren, die geschützt werden mussten, erschwerte die Entscheidung. Einer dieser Schutzbefohlenen war Georg Maria Schwab, der nach Griechenland geflohen war und nach dem Kriege eine Professur für Physikalische Chemie in München erhielt. Viele Familienmitglieder empfanden sich als Deutsche, unabhängig von den Ereignissen. Mein Vater Emil Grohmann gab seine griechische Staatsbürgerschaft auf und trat in die Wehrmacht ein. 1943 verließ deswegen meine Mutter mit ihren Kindern Griechenland und kam mit einem Eisenbahntransport zusammen mit anderen Müttern und Kindern der Familie Grohmann nach Deutschland zu den dortigen Freunden und Verwandten nach Bautzen, Barth und Herford.

Aber der jüngste Bruder meines Vaters zog es vor, seine griechische Staatsbürgerschaft zu behalten und mit Frau und Kindern in Griechenland zu bleiben. Er wurde der Kollaboration beschuldigt, 1945 interniert, freigesprochen und wieder interniert, blieb aber standhaft Grieche. Im Oktober 1946 bestätigte der griechische Staatsrat (Συμβούλιο της Επικρατείας) seine griechische Staatsbürgerschaft und ließ ihn endgültig frei.

Mein Vater wurde als Soldat der Wehrmacht in Kreta eingesetzt. Er nahm dort Gelegenheiten wahr, zwischen den Partisanen und der Wehrmacht für einen Gefangenenaustausch zu vermitteln. Ein prominenter Gefangener der Deutschen, der bei einer solchen Aktion freigelassen wurde, war der spätere Ministerpräsident Konstantinos Mitsotakis. Dennoch wurde mein Vater in Griechenland als Kollaborateur zum Tode verurteilt, was ihn daran hinderte, nach dem Kriege nach Griechenland zurückzukehren. Da er in Kreta in englische Gefangenschaft geriet, konnte er allerdings nach Deutschland entlassen werden.

Meine Mutter und ihre fünf Kinder erlebten das Ende des Krieges in Barth, in der sowjetischen Besatzungszone. Durch Vermittlung des Roten Kreuzes durften wir 1946 zu den Eltern meiner Mutter, Marinos und Margarita Geroulanos, nach Griechenland fahren, mit mehrmonatiger Unterbrechung der Reise in Herford, in der englischen Zone. Da mein Vater nicht mehr nach Griechenland kommen konnte, entschloss sich meine Mutter, nach Deutschland umzusiedeln, diesmal für immer. Bis sie die Erlaubnis von den Alliierten erhielt, vergingen einige Jahre. So kamen wir im Laufe der Jahre 1949 und 1950 nach Deutschland, und zwar nach Herford.

Wie haben Sie Ihre ‚doppelte‘ griechisch-deutsche Identität in Ihrer Kindheit erlebt, wie nehmen Sie sie heute wahr?

Meinem Naturell entsprechend fühlte ich mich immer dort zu Hause, wo die Familie jeweils Unterkunft gefunden hatte – ob in Serifos als Kleinkind oder in Barth oder in Herford oder in Paläo Phaliron bei Athen nach dem Krieg und später wieder in Herford. Die Sprache, die auf der Straße gesprochen wurde, war auch meine Lieblingssprache – ob Griechisch oder Deutsch. Nach dem Studium an der Freien Universität Berlin beschloss ich in Berlin zu bleiben, pflege aber den Kontakt zu Griechenland - die Herzlichkeit der Menschen in den Dörfern und besonders auf den Inseln sowie Kontakte zu Wissenschaftlern der griechischen Universitäten waren Anlass hierfür. Von 1990 bis 2013 hatten meine Frau und ich gemeinsam ein Haus in Griechenland und zwar im Pilion. Altersbedingt mussten wir es aber aufgeben.

Wenn Sie heute jemand danach fragt, woher Sie kommen, was antworten Sie?

Ein Berliner aus Athen – Spreeathen passt zu mir.