#Lesestoff
30.10.2020
Ottos Thronbesteigung 1833 wurde u.a. in zwei Zeittexten literarisch bearbeitet, dem verklärenden allegorischen Festspiel Nepomuk von Poißls Vergangenheit und Zukunft und der sarkastischen Reaktion Ludwig Börnes in dessen Briefen aus Paris. Mit welchen Mitteln wird Bayern in Poißls Stück als Retter Griechenlands gefeiert und welches Bild von Griechenland wird hier inszeniert? Weshalb äußert sich Börne derart zynisch über die Bayernherrschaft in Griechenland? Was wirft er den Philhellenen vor und weshalb empfindet er die Thronbesteigung als Niederlage des Volkes? Welches sind die tatsächlichen Adressaten seiner Kritik? Alexandra Rassidakis spürte beide Texte auf und liefert in ihrem Text aufschlussreiche Erkenntnisse.
Η ενθρόνιση του Όθωνα το 1833 θεματοποιήθηκε από δύο κείμενα της εποχής, ένα αλληγορικό θεατρικό του Νέπομουκ φον Πόισλ που εξιδανικεύει τη βαυαρική μοναρχία, και τις σαρκαστικές Επιστολές από το Παρίσι του Λούντβιχ Μπέρνες. Η Αλεξάνδρα Ρασιδάκη επέλεξε και ερμήνευσε τα δύο κείμενα στο δοκίμιό της "Η ενθρόνιση ως λογοτεχνικό γεγονός: Το δραματικό ποίημα Παρελθόν και Παρόν του Νέπομακ φον Πόισλ (Nepomak von Poißl) και η αντίδραση του Λούντβιχ Μπέρνε (Ludwig Börne)"
Die Thronbesteigung als literarisches Ereignis: Nepomuk von Poißls dramatisches Gedicht Vergangenheit und Zukunft und die Reaktion Ludwig Börnes
Man ist dermaßen griechisch in München,
dass man in Athen notgedrungen bayrisch sein muss
Gérard de Nerval
Nepomuk von Poißls Vergangenheit und Zukunft
Die Thronbesteigung des Königs Otto von Griechenland wird auch in München feierlich begangen. Zu den Festivitäten gehört die Aufführung des Festspiels von Poißl Vergangenheit und Zukunft am 30. November 1832 im königlichen Hoftheater in München. Der Hofmusik-Intendant Johann Nepomuk von Poißl (1783-1865), bekannt für seine Opern Antigonus, Athalia und der Wettkampf zu Olympia, verfasst für den feierlichen Anlass ein allegorisches Schauspiel in sechs Szenen und zwei Bildern in dem Hellas, Bavaria, der Glaube, die Hoffnung und die Liebe auftreten, flankiert von Genien und dem griechischen Volk „älterer und neuerer Zeit“.
Das Stück beginnt mit Hellas, die in einem Lorbeerhain sitzend, in Schwarz gehüllt, ihre Lage beklagt. Poißl gebraucht den bewährten antithetischen Aufbau barocker Vanitas-Dichtung und stellt die Gegenwart der glorreichen Vergangenheit gegenüber (es werden antike Helden aufgezählt, die Preisverleihung der olympischen Spiele evoziert), so dass jene besonders erbärmlich erscheint: „Wo Glanz und Fülle war, nun Jammer waltet“ (Poißl, 1832, 6). Die verzweifelte Hellas wird von dem herabschwebenden Glauben getröstet, der es an die göttliche Vorsehung erinnert und „vom Ewigen gesandte“ Rettung verspricht (Poißl, 1832, 9). Hellas soll für die erwiesene Treue zum Christentum belohnt werden und „wie der Phönix auferstehen“ (Poißl, 1832, 9). Bemerkenswert ist der doppelte Verweis auf Antike und Christentum: hierbei handelt es sich um einen wesentlichen Aspekt des Philhellenismus-Diskurses, in dem das griechische Volk, bedrängt und gemartert von Ungläubigen, als Repräsentant der Christenheit stilisiert und zugleich als Nachfolger der Antike gefeiert wird (vgl. Conter, 2004, 440). Die nicht selbstverständliche Verknüpfung beider Aspekte der Griechenlandimagination bewerkstelligt Poißl einerseits durch die personifizierte (diachrone) Hellas, die offenbar gleichermaßen in der Antike wie auch in der Gegenwart heimisch ist, andererseits durch die Einsetzung der Landschaft als Garant von Kontinuität: das Schlachtfeld auf dem die antike Helden ihren Mut bewiesen, ist derselbe Ort, an dem Paulus predigte.
Als nächstes tritt die Hoffnung auf und führt die „gottgesandte“ Bavaria zur still betenden Hellas: Bavaria stellt sich vor („ein Volk kühnen Muthes, voller Fleiß, Kraft, Mäßigkeit und unerschütterlicher Treue“ (Poißl, 1832, 15)) und erinnert an ihre tatkräftige Anteilnahme an dem Befreiungskrieg der Griechen. Es werden die Verse Ludwigs I von 1822 rezitiert, mit denen er zum Kampf aufrief („Hellenen kämpft den Kampf des Todes…“ (Poißl, 1832, 16)). Hellas stimmt mit ein, drückt Ludwig gegenüber Dankbarkeit aus („ein Freund, ein Vater“ (Poißl, 1832, 18) und versichert Bavaria, dass der hohe Mut der Antike in den heutigen Griechen fortlebe.
Daraufhin kündigt Bavaria an, Hellas eine „Perle aus dem Diadem des Palladiums“ (Poißl, 1832, 23) zu überreichen, da dies Gottes Wille sei. Hellas gelobt den zukünftigen Herren „mit Treue und Vertrauen und heißer Liebe“ (Poißl, 1832, 24) zu empfangen. Bavaria verspricht Wunder durch seine Hand für Hellas.
Poißl betont hier, wie zu erwarten, die unterstützende Rolle von Bayern bzw. von König Ludwig bereits während des Befreiungskrieges – die Wahl des bayrischen Prinzen für die Krone Griechenlands kann so als eine weitere Etappe, wenn nicht gar der Höhepunkt dieser Zuwendung und Hilfeleistung präsentiert werden. Es ist daher konsequent, dass in keiner Weise auf die Rolle der Großmächte sowie deren politische Beweggründe bei der Wahl Ottos hingewiesen wird: in Poißls Darstellung obliegt es allein Bayern, Hellas ihren Retter zu senden. Den Höhepunkt des Stückes bildet der Moment, als das Portrait Ottos, getragen von der Liebe und flankiert von Glaube und Hoffnung, langsam hinabsinkt.
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