#Rückschau
02.11.2016
Das CeMoG hat in den vergangenen Monaten eine Podiumsdiskussion zu den Konstruktionen der Krise in der deutschen und griechischen Öffentlichkeit sowie ein Gespräch mit Vertretern von ausgewählten deutsch-griechischen Kulturinitiativen in Deutschland organisiert. Außerdem fand im Juni das erste Sommerfest der Edition Romiosini statt. Eine Rückschau.
Die Rolle der Massenmedien als Kristallisationspunkt der Öffentlichkeit wurde im Zusammenhang der griechischen Finanz- und Wirtschaftskrise besonders deutlich. Zugeschriebene Attribute wurden sowohl im deutschen wie im griechischen Sprachgebrauch rasch zur sozialen Routine, moralische Kategorien wurden zur Klassifizierung der politischen Akteure verwendet. Bereits publizierte Forschungsergebnisse bildeten den Ausgangspunkt der Diskussion: Ging es um eine wertende Berichterstattung? War die Darstellung beider Positionen jeweils ausgewogen? Kann man dabei einen medienübergreifenden Ton feststellen? Zu diesen und weiteren Fragestellungen diskutierten Prof. Dr. Jochen Roose (Willy Brandt Zentrum, Universität Wrocław), Dr. Kostas Kanellopoulos (Universität Kreta), Prof. Dr. Kim Otto (Universität Würzburg), Prof. Dr. Alexandros Kyrtsis (Nationale und Kapodistrias-Universität Athen), Ulrike Herrmann (Wirtschaftskorrespondentin der taz), Giorgos Pappas (Deutschland-Korrespondent für ERT) und Anna Koktsidou (SWR International).
03.06.2016: Costas Simitis — Die Europäische Union, ausweglos? CeMoG Lecture #03
Finanz- und Flüchtlingskrise, Terroranschläge in europäischen Metropolen, Euroskeptizismus, Rechtsruck. Die Idee des europäischen konstitutionellen und imaginären Kollektivs sieht sich mit Problemen konfrontiert, die noch vor einigen Jahren, etwa zur Zeit der EU-Osterweiterung, unvorstellbar waren. Ihre Neugestaltung ist notwendig, da das aktuell geltende Modell der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit die Lösungen erheblich erschwert. Die Schwierigkeiten erschöpfen sich allerdings nicht allein in der Festlegung des Modells zur Weiterentwicklung der EU. Die Einführung von neuen Regelungen ist wegen der notwendigen Zustimmung aller Mitglieder weiterhin problematisch. Darüber hinaus werden die unterschiedlichen Ebenen des wirtschaftlichen Wachstums auf dem Weg der Integration zu unterschiedlichen Entwicklungsgeschwindigkeiten führen. Eine Verwaltung von einem einheitlichen Zentrum aus mit einheitlichen Regeln könnte sich somit als unmöglich erweisen. Trotz allem sollte die politische Integration allgemeine Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen und die Möglichkeit einer kontinuierlichen Umgestaltung und Anpassung gewährleisten. Die EU muss zwar ihre Integrationsbemühungen zunächst auf bestimmte Probleme konzentrieren, allerdings gleichzeitig eine Gesamtheit bleiben, die als Ganzes agiert. Nur so wird sie allen ihren Mitgliedern Wachstum, mehr Demokratie und kulturellen Fortschritt sichern.
Die zweisprachige Ausgabe (deutsch und griechisch) des Vortrags von Costas Simitis "Die Europäische Union in der Sackgasse?" wurde in der Reihe CeMoG Lectures in der Online Bibliothek der Edition Romiosini veröffentlicht.
Die Zuwanderung aus den südeuropäischen Ländern in die Bundesrepublik hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Bei der sogenannten „neuen Migration“ handelt sich um ein Phänomen, das gleichermaßen Politik und Gesellschaft betrifft und auch Gegenstand wissenschaftlicher Forschungen geworden ist. Studierende auf der Suche nach neuen Horizonten, junge kreative oder arbeitsuchende Akademiker/innen verlassen, allein oder mit ihrer Familie, ihre Herkunftsländer, um in Deutschland nach einer besseren Lebensperspektive zu suchen. Bildeten die südosteuropäischen Einwanderer in der Zeit der ersten (und amtlich geplanten) „Gastarbeiter“-Migration der 1960er und 70er Jahre homogene Gemeinden, so sind die heutigen Migrant/innen verstreut, heterogen und lose, höchstens in digitalen sozialen Netzwerken miteinander verbunden. Wie organisieren sich die neuen Migrationsgemeinden kulturell? Welche postmigrantischen Kunst- und Kulturprojekte sind dadurch entstanden? Diese Fragen bildeten während der Langen Nacht der Wissenschaften 2016 den Rahmen für ein Podiumsgespräch mit Kostas Kouvelis (Exantas Berlin e.V., Berlin), Anna Labrinakou (Kalimera e.V. - Deutsch-Griechische Kulturinitiative, Stuttgart), Kostas Papakostopoulos (Deutsch-Griechisches Theater e.V., Köln), Sevastos Sampsounis (Größenwahn-Verlag, Frankfurt/M.), Nikos Thanos (POP - Initiativgruppe Griechische Kultur in der BRD e.V., Köln), Thanassis Tsingas (Kulturmagazin diablog.eu, Berlin) und Sandra von Ruffin (Kinofestival „Hellas Filmbox Berlin“).
Dokumentation: Mindmap zur Podiumsdiskussion über postmigrantische Kulturinitiativen (Barbara Tsingas)
12.06.2016: Sommerfest der Edition Romiosini 2016
Im Buchhändlerkeller Berlin standen die Bücher und Buchprojekte der Edition Romiosini im Mittelpunkt. Zu hören, zu sehen und zu erleben waren dabei der Brief von Helene Varopoulou an Heiner Müller; Geschichten, die ebenso in die Schützengräben des Ersten Weltkrieges und die versunkene Welt der Istanbuler Griechen wie in die turbulente, oftmals tragische Migrationsgeschichte zwischen Griechenland und seinen Nachbarländern führten. Der Autor Sotiris Dimitriou gab Auskunft über seinen Roman Lass es dir gut gehen (Ν’ ακούω καλά τ’ όνομά σου, 1993), der das Leben dreier Generationen zwischen zwei Kulturen und zwei Welten beschreibt und das Flüchtlingsdrama so tiefgründig skizziert, dass man glaubt, es mit den Schicksalen aktueller Flüchtlinge zu tun zu haben. Den Abschluss bildete die Vorführung des Filmes From the snow (Απ’ το χιόνι, 1993), der auf dem Roman von Dimitriou beruht.