#Wissenswert
09.05.2017
Am 12. Juni wird das Centrum Modernes Griechenland den Dokumentarfilm Briefe aus Athen. Portrait des Vaters zu Zeiten des Krieges (GR/DE 2016, 88 Min.) von Timon Koulmasis zeigen. Vor dem Hintergrund der deutschen Besatzung Griechenlands (1941-1944) erzählt der Film sowohl die Geschichte einer Liebe wie auch die Geschichte des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts Athen, der Schaltstelle für die Vermittlung deutscher Wissenschaft, Kunst und Kultur in Griechenland während der Nazi-Herrschaft. Im Anschluss an die Vorführung wird der Regisseur seinen Film in einer Expertenrunde diskutieren. An dieser Diskussion wird u.a. Evi Grammenou teilnehmen, die in ihrer Masterarbeit die Geschichte des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts Athen untersucht. Der folgende Text stellt die Erträge ihrer Arbeit vor und beleuchtet ein wenig bekanntes Thema der deutsch-griechischen Geschichte.
Στις 12 Ιουνίου θα προβληθεί η ταινία ντοκιμαντέρ του Τίμωνα Κουλμάση με τίτλο Πορτραίτο του πατέρα σε καιρό πολέμου (2016). Θα ακολουθήσει ανοιχτή συζήτηση με τη συμμετοχή του σκηνοθέτη καθώς και άλλων ειδικών, μεταξύ άλλων και της Εύης Γραμμένου, η οποία στη μεταπτυχιακή της εργασία μελέτησε την ιστορία του Γερμανικού Επιστημονικού Ινστιτούτου (DWI), ενός πολιτισμικού θεσμού που ιδρύθηκε από τους Ναζί το 1941 στην Αθήνα. Το κείμενο που ακολουθεί αποτελεί ένα απόσπασμα από την εργασία της, σε μια προσπάθεια να φωτιστούν ορισμένες από τις πτυχές μιας έως και σήμερα άγνωστης πλευράς της ελληνογερμανικής ιστορίας της περιόδου.
Das Deutsche Wissenschaftliche Institut Athen: Eine ungewöhnliche Geschichte der deutschen Besatzungszeit
Die Deutschen Wissenschaftlichen Institute als Organe der Kulturpropaganda
Kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden sechzehn Deutsche Wissenschaftliche Institute (DWI) in fast allen europäischen Hauptstädten eröffnet und im Auftrag der Besatzungsmächte finanziert. Damit wurde eine neue Einrichtung geschaffen, die als Hauptorgan der Kulturpropaganda die Führung des nationalsozialistischen Deutschlands festigen sowie die geistigen Eliten der besetzen Länder – ihre potenziellen Kollaborateure – durch eine raffinierte politische Propaganda mit den Mitteln der Wissenschaft, Kunst und Kultur beeinflussen sollten. Anfang Oktober 1941 erfolgte die Eröffnung des DWI Athen.
Die Eröffnung des DWI im besetzten Athen
Das Gebäude, das dem DWI von den Besatzungsmächten überlassen wurde, war ursprünglich das Haus der ehemaligen jugoslawischen Botschaft in der Righillisstr. Nr. 20a gewesen. Die Behörden beabsichtigten, das Athener DWI als Hauptträger der Kulturpolitik in Griechenland zu etalieren. Es sollte gemeinsam mit den anderen deutschen Kulturinstitutionen wie dem Deutschen Archäologischen Institut, der Deutschen Akademie und der Deutschen Schulen in Athen und Thessaloniki die schon seit den 1920er und 1930er Jahren in Griechenland tätig waren, der Vermittlung deutscher Wissenschaft und Kultur dienen. Neben dem deutsch-griechischen Kulturaustausch sollte die Athener Abteilung auch dem Zweck dienen, die geistigen Eliten des Landes an die Kultur Deutschlands zu binden. Die Tätigkeiten des DWI Athen erstreckten sich auf verschiedene Fachbereiche und entsprachen in gewisser Hinsicht einem hohen wissenschaftlichen Anspruch. Sie umfassten unter anderem die Vermittlung der deutschen Sprache, Editionen von wissenschaftlichen und literarischen Werken, akademische Vorträge, Kunstausstellungen sowie die Vergabe von Stipendien für Studierende, die in den Universitäten des Deutschen Reiches studieren wollten. Interessanterweise sollte das DWI gemäß der offiziellen Richtlinien der zuständigen Reichsministerien ausschließlich wissenschaftlichen und keinesfalls propagandistischen und damit politischen Zwecken dienen.
Rudolf Fahrner und das DWI als deutsch-griechischer Begegnungsort
Das DWI Athen wurde als Schaltstelle der deutsch-griechischen wissenschaftlichen Zusammenarbeit bezeichnet. Diese Zusammenarbeit fand insbesondere in Fächern wie der Archäologie, der griechischen Philosophie, Literatur, Astronomie, Volkskunde, Geografie, Medizin und teilweise auch in der Neogräzistik statt. Das DWI Athen war tatsächlich fast das einzige Institut, das die offiziellen politischen Vorgaben dahingehend nutzte, sich von den Propagandazwecken des Reiches fernzuhalten. Freilich hatte es im Kräftespiel der deutschen Kulturpolitik bei weitem nicht die starke Position des Deutschen Archäologischen Instituts, der Deutschen Schule Athen oder der anderen europäischen Schwesterinstitute, wie etwa die des Pariser Instituts. Die meisten Griechen kannten es nicht einmal. Frank-Rutger Hausmann, der die Entstehungsgeschichte aller sechzehn Institute im Zweiten Weltkrieg rekonstruiert, unterscheidet das Athener Institut von allen anderen Abteilungen des DWI. Er berichtet über die besonderen Persönlichkeiten seiner Mitarbeiter und besonders seines Gründers und Leiters Rudolf Fahrner, vormals Professor für deutsche und klassische Philologie an der Universität Heidelberg sowie Mitglied des berühmten Dichterkreises um Stefan George und Eingeweihter in die Idee des Geheimen Deutschland. Während seiner Athener Jahre war Fahrner jedoch auch ein enger Freund der Brüder Stauffenberg sowie Mitwisser des Hitler-Attentatsversuches des 20. Juli. Dank seiner philhellenischen Ausrichtung und seines diplomatischen Geschicks im Umgang mit den deutschen Behörden entwickelte sich das Athener DWI zu einem eigenen Kosmos, was vermutlich mit seinem elitären Charakter zusammenhing. Unter Fahrners Leitung schaffte es das Institut, einen diskreten Abstand von der Nazipropaganda zu halten und sich einen guten Namen im Kreis der Athener Elite zu erwerben. Dabei machte sich Fahrner Hitlers Bewunderung für das Antike Griechenland und sein diplomatisches Geschick zunutze, um das Institut nach seinen Vorstellungen zu gründen und zu leiten. Das galt einerseits für das Veranstaltungsprogramm des Athener DWI, das sich vornehmlich auf Literatur-, Philosophie-, Lyrik-, und Geschichtsseminare sowie auf die Übersetzung von Werken der altgriechischen und neugriechischen Literatur erstreckte, wobei Fahrner trotz seines antikisierenden Griechenlandbildes eine zunehmende Annäherung an die neugriechischen Studien und die Realität des modernen Griechenlands vollführte. Es betraf aber auch die Leitung des Instituts. So erteilte Fahrner die Weisung, dass das Militär die Räumlichkeiten der Athener Abteilung nur in Zivil betreten durfte und nationalsozialistische Bilder, Dokumente, Photographien und Symbole wie das Hakenkreuz dem Institut fernbleiben mussten. Fahrners Bestrebungen, in Gefahr oder Not geratenen Griechen zu helfen, sind aus zahlreichen schriftlichen und mündlichen Überlieferungen bekannt.
Eine „geistige Oase“ im Zentrum des besetzten Athens?
Auch siebzig Jahre später ist es noch immer schwierig, nachvollzuziehen, wie sich im Umfeld der deutschen Besatzung eine solche deutsche Institution als Ort der deutsch-griechischen Begegnung und sogar als Refugium für oppositionelle Studenten etablieren konnte, die dort, zeitgenössischen Berichten zufolge, eine „geistige Oase“ inmitten der finsteren Zeit vorfanden. In Anbetracht dieser Darstellungen muss man sich folgende kritische Fragen stellen: Waren die Kultur und die Kunst tatsächlich wirksame Heilmittel gegen die deutsche Besatzung? Welche Rolle spielten die Wissenschaftler an der Schnittstelle von politischer Propaganda und Kultur, Besatzer und Besetzten? Und kann man schließlich behaupten, dass die Kulturpolitik in Griechenland „erfolgreich“ in dem Sinne war, dass sie frei von nationalsozialistischen Zweckbestimmungen agierte? Die Geschichte des Athener DWI kann nur teilweise auf die vorliegenden Fragen antworten, denn es handelt sich in besonderem Maße um eine Ausnahmeerscheinung in der Geschichte der deutsch-griechischen Kulturbeziehungen während des Zweiten Weltkriegs. Insbesondere unterscheidet es sich stark von den anderen europäischen Schwesterinstituten sowie den anderen deutschen Kulturinstituten im besetzten Griechenland, die hauptsächlich der offiziellen Propagandalinie folgten. Es wäre sicher verfehlt, zu behaupten, dass die deutsche Kulturpolitik im besetzten Griechenland erfolgreich im Sinne einer überzeitlichen Wirkung war, auch wenn sich in den Jahren 1941-1944 eine intensive kulturelle Tätigkeit entwickelte. Während sich pauschal annehmen lässt, dass die DWIs in den meisten Ländern als eine Besatzungsmaßnahme angesehen wurden, scheint dies beim Athener DWI anders zu sein. Dieses beschränkte sein Tätigkeitsfeld auf einen ganz kleinen Teil der griechischen Gesellschaft. Hierbei handelte es sich insbesondere um die geistigen Eliten, die einerseits positiv gegenüber Deutschland eingestellt waren und anderseits einen großen Einfluss auf die geistigen und politischen Entwicklungen in Griechenland hatten. Als übertrieben muss indessen die Ansicht Hausmanns angesehen werden, der das Athener DWI als eine „Schaltstelle des Widerstands“ bezeichnet. Denn selbst mit Blick auf den mutigen Direktor des Athener DWI, der im Schutz der Kulturinstitution die Absichten des NS-Regimes konterkarierte, steht die materielle und ideelle Verwicklung der Wissenschaftler mit dem NS-Regime außer Zweifel, egal ob es sich bei ihnen um Parteimitglieder bzw. NS-Funktionäre handelte oder nicht.
Die Rolle der Wissenschaftler und die Annäherung an die Neogräzistik
Wie sich anhand der verfügbaren Archivalien und privaten Quellen nachvollziehen lässt, kann die Geschichte des DWI gleichwohl als ein Beispiel für die Möglichkeiten angesehen werden, welche die Wissenschaftler als Mitglieder einer solchen Institution zur Mitgestaltung der deutschen Kulturpolitik und zur Profilierung ihres eigenen wissenschaftlichen Werkes hatten. Hierbei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die auswärtige Kulturpolitik kein organisiertes und definiertes Programm darstellte, sondern sich während der Besatzungszeit stark durch die Aktivitäten und die persönliche politische Haltung der Kulturvertreter formierte. Was Fahrner und das Athener DWI betrifft, kann insgesamt von einer positiven Entwicklung gesprochen werden: So lenkte Fahrner, obwohl stark beeinflusst vom Griechenlandbild der klassischen Antike, den Blick auch auf die Gegenwart, die neugriechische Sprache, Literatur und Kultur, und das in einer Epoche, in der das Interesse der ausländischen Geisteswissenschaftler an der Neogräzistik noch schwach ausgeprägt war. Durch die sogenannte „zurückstrahlende Hilfe“, die die heutigen Griechen dabei unterstützen sollte, das antike Kulturerbe als Grundelement ihres gegenwärtigen Lebens zurückzugewinnen, haben Fahrner und seine Mitarbeiter, um es in heutigen Begriffen auszudrücken, Kulturtransferbrücken gebaut und einen bedeutenden Dialog zwischen den Kulturen hergestellt. Darüber hinaus nahmen die Besatzungserlebnisse, der Hunger und die Not der Griechen einen prägenden Einfluss auf den Charakter des Athener DWI und bewirkten eine kritische Abgrenzung gegenüber der nationalsozialistischen Kulturpolitik.
Das DWI und die deutsch-griechische Erinnerung an die Besatzungszeit
Abschließend kann festgehalten werden, dass die Geschichte des Athener DWI aktuelle Fragen in Bezug auf den Widerstand der Kultur und der Kunst gegenüber totalitären Regimen aufwirft. In jedem Fall regt sie dazu an, die verschiedenen Facetten der deutsch-griechischen Kulturbeziehungen während der Besatzungszeit genauer zu untersuchen. Auf diese Weise könnten nicht nur bislang unbekannte Quellen zutage gefördert werden. Es wäre auch eine Gelegenheit, sich den Menschen und Lebensumständen jener Epoche im Lichte einer neuen Sichtweise anzunähern.
Evi Grammenou
Übersetzt aus dem Griechischen von der Autorin
Lektorat: Marco Hillemann
Το Γερμανικό Επιστημονικό Ινστιτούτο (DWI) στα χρόνια της Κατοχής (1941-1944) και ο ρόλος του επιστήμονα. Μια άλλη όψη της γερμανικής εξωτερικής πολιτισμικής πολιτικής,
Masterarbeit im Fach Neogräzistik, Berlin, Freie Universität Berlin, 2017.