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#Wissenswert

18.01.2018

Christos Joachimides (1932-2017) — Illustration: Eleana Stoikou

Christos Joachimides (1932-2017) — Illustration: Eleana Stoikou

Christos Joachimides (1932-2017) förderte die Präsentation griechischer Kunst im Ausland und trug zur Gestaltung der internationalen Kunstszene bzw. zur Durchsetzung neuer Kunstströmungen bei. Er war eng verbunden mit Künstlern wie Dieter Hacker, Jörg Immendorff, Joseph Beuys, Georg Baselitz, Markus Lüpertz, Anselm Kiefer und Wolf Vostell, kooperierte mit Kuratoren wie Norman Rosenthal und René Block und unterstützte Künstler wie Alexis Akrithakis, Konstantinos Xenakis, Vlassis Kaniaris, Jannis Psychopedis, Stathis Logothetis und Kostas Tsoklis, die als Stipendiaten des Künstlerprogramms des DAAD nach Berlin kamen.

In seinen letzten Jahren lebte er auch in Athen, wo er im Dezember 2017 verstarb. Die Kunsthistorikerin Eleana Stoikou, Doktorandin an der Aristoteles Universität Thessaloniki und Erasmus+ Stipendatin beim CeMoG, sprach mit ihm in Athen im Frühjahr vergangenen Jahres. Ein Auszug ihres Gesprächs mit ihm – vielleicht sogar sein letztes Interview – veröffentlichen wir an dieser Stelle als Nachruf für diesen wichtigen Kunst- und Künstlerförderer.

Με αφορμή τον πρόσφατο θάνατο του Χρήστου Ιωακειμίδη (1932-2017) δημοσιεύουμε ένα μέρος από τη συνέντευξη που έδωσε στην Ελεάνα Στόικου την άνοιξη του 2017.

Die „Avantgarde Griechenland“ von Christos Joachimides

Geboren 1932 in Athen, ging Christos Joachimides mit zwanzig Jahren als Student zunächst nach Stuttgart und dann nach Heidelberg; ab 1958 lebte er in Berlin. Er organisierte wichtige Ausstellungen in Deutschland und Griechenland wie z.B. Avantgarde Griechenland im Haus am Lützowplatz (1968), wo er u.a. Konstantinos Xenakis, Stathis Logothetis und Kostas Tsoklis präsentierte, die Stipendiaten des Künstlerprogramms des DAAD in Berlin waren, Szene Berlin Mai '72, zusammen mit René Block, im Kunstverein Stuttgart (1972), mit Werken u.a. von Alexis Akrithakis, sowie Zeitgeist – Internationale Kunstausstellung Berlin im Martin–Gropius–Bau (1982). Höhepunkt seiner Athener Karriere war die bahnbrechende Ausstellung zeitgenössischer Kunst Outlook (2003).

Joachimides förderte die Präsentation griechischer Kunst im Ausland und trug zur Gestaltung der internationalen Kunstszene bzw. zur Durchsetzung neuer Kunstströmungen bei. Er war eng verbunden mit Künstlern wie Dieter Hacker, Jörg Immendorff, Joseph Beuys, Georg Baselitz, Markus Lüpertz, Anselm Kiefer und Wolf Vostell, kooperierte mit Kuratoren wie Norman Rosenthal und René Block und unterstützte Künstler wie Alexis Akrithakis, Konstantinos Xenakis, Vlassis Kaniaris, Jannis Psychopedis, Stathis Logothetis und Kostas Tsoklis, die als Stipendiaten des Künstlerprogramms des DAAD nach Berlin kamen.

In seinen letzten Jahren lebte er auch in Athen, wo er im Dezember 2017 verstarb. Die Kunsthistorikerin Eleana Stoikou führte das vermutlich letzte Interview mit ihm in Athen im Frühjahr 2017.

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Christos Joachimides sitzt in einem weißen Sessel in seiner Wohnung im Athener Bezirk Kypseli und teilt mit mir seine Erinnerungen aus dem Berlin des Kalten Krieges: „Die ganzen Intellektuellen Athens kamen während der Militärdiktatur nach Berlin, es gab eine Art Aufschwung“, berichtet er. 1967, kurz vor dem Militärputsch, hatte er seine letzte große Ausstellung in Athen organisiert, „Berlin-Berlin, neue Berliner Maler und Bildhauer“, dort präsentierte er dem Athener Publikum u.a. Georg Baselitz, Karl-Horst Hödicke, Bernd Koberling und Markus Lüpertz. Danach floh er nach Berlin, wo er sich der künstlerischen Avantgarde anschloss und von wo aus er Ausstellungen griechischer Künstler in europäischen Kunstmetropolen organisierte. Dabei bemühte er sich um die Eingliederung der nach Berlin eingewanderten Künstler in die Berliner Kunstszene, auch mithilfe des Künstlerprogramms des DAAD sowie von Johannes Weissert, dem Direktor des Athener Goethe-Instituts, und betonte die kulturellen und künstlerischen Verbindung zwischen den beiden Ländern.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut und dem DAAD in jener Zeit, als die Politik in Griechenland und Deutschland neu geordnet wurde?

Es gab in der Tat eine ziemlich enge Zusammenarbeit. Es war ein glücklicher Zufall, dass ein Freund von mir Leiter des Berliner Künstlerprogramms des DAAD gewesen ist. Da hatte ich meinen Einfluss, ich war ja auch Mitglied der Auswahlkommission. Auf diese Weise kamen viele griechischen Künstler nach Berlin.

Wie ging es denn den griechischen Künstlern in Berlin? Gab es eine Interaktion mit anderen Künstlern, und wie war ihr Alltag?

Jenseits des Ateliers gab es die Kneipen, dort traf man sich als Künstler. Ein sehr wichtiger und ziemlich origineller Treffpunkt für Künstler und Autoren in der Zeit der Studentenbewegung war übrigens das „Ach Wach“ von Fofi Akrithaki und Oswald Wiener, oder später „Fofis Restaurant“ – die New York Times schrieb einmal – sinngemäß –, „Sie sollten dieses Restaurant besuchen, wenn Sie nach Europa reisen“!

Welche griechischen Künstler im Ausland haben Ihrer Meinung nach die internationale Kunst mitbewegt?

Eine komplizierte Frage: Manche hätten sich viel weiter entwickelt und die Stellung eines, sagen wir mal, Kienholz erreicht, wären sie im Ausland geblieben, aber sie hatten wohl nicht die psychische Kraft dafür. Alexis Akrithakis hat sich hingegen nicht so sehr mit Griechenland beschäftigt; dasselbe gilt für Takis (= Panagiotis Vasilakis), der in London, in Paris und in New York arbeitete und international bekannt war.

Mit anderen Worten, man musste sich von der Realität Griechenlands befreien?

Grieche zu sein hat niemandem geholfen. Ich meine, es gab Künstler, die im Zenit ihrer Arbeit standen, dann kamen sie nach Griechenland zurück, wurden hofiert und geschmeichelt und nahmen Posten an, die ältere griechische Größen innehatten und vernachlässigten dafür ihr künstlerisches Schaffen. Aber das ist schließlich Griechenland, die Postenschacherei, der Kampf um einen oberflächlichen Schein. Schade, aber wahr. Manche von ihnen hätten zu den bedeutendsten Künstlern Europas zählen können, doch es kam nicht dazu. Wir alle erwarteten den großen Wechsel hin zur internationalen Szene, doch die meisten zogen die Rückkehr nach Griechenland vor, wo sie zu den Wichtigsten des Landes gehörten, was aber nur von innergriechischem Interesse war. Im Gegensatz dazu denke ich an Beuys; ich hatte eine sehr enge Beziehung zu ihm, wir redeten viel miteinander, bis zu seiner letzten Nacht. Ich meine, dieser Künstler konnte mich überzeugen, seine Haltung, das ist das wichtige für einen Intellektuellen – ob Maler, Bildhauer oder Autor – das hat meine Zuneigung gewonnen, seine Haltung gegenüber der Kunst, dem Leben, allem. Es gibt nur wenige Persönlichkeiten, die trotz – oder gerade wegen ihrer Haltung in solchen Zeiten berühmt werden können.

Haben Sie vielleicht ein Beispiel für einen griechischen Künstler, der nach Griechenland zurückging, der sonst international bekannt hätte werden können?

Ja, klar! Als ich etwa 1991 die Ausstellung ‚Metropolis‘ in Berlin organisierte, zeigte ich, zum ersten Mal in einer internationalen Ausstellung, Werke von Jorgos Lappas – den ich übrigens für den besten griechischen Künstler halte –, und zur selben Zeit hatte ich Bałka in Polen entdeckt. Beide habe ich gezeigt, als sie noch völlig unbekannt waren. Lappas ging aber nach Griechenland zurück, Bałka agierte international und ist heute einer der drei besten Bildhauer weltweit.

Sie meinen also, die griechische Kunst war – mit wenigen Ausnahmen – nicht am internationalen Diskurs beteiligt?

Griechenland war nicht mehr am internationalen Kunstgeschehen beteiligt, besonders nach dem Fall der Militärdiktatur. Es war ein abrupter Wechsel und die Versuche, griechische Kunst und Kultur in Deutschland zu präsentieren, waren sehr schwierig, in Wirklichkeit sind sie nicht präsent. Die griechischen Künstlerinnen und Künstler beteiligen sich nicht am internationalen Geschehen, die Gründe dafür sind für so ein Interview viel zu komplex, man könnte eine Tagung dafür organisieren. Man müsste etwa amerikanische oder europäische Künstlerinnen und Künstler dafür bewegen, sich für die Kultur in Griechenland zu interessieren. Das tut man aber nicht, Griechenland ist einfach nicht ‚sexy‘ genug. Man sieht es doch, vor allem nach dem Mauerfall, da werden plötzlich Kasachstan, Aserbaidschan, Albanien entdeckt, nicht jedoch Griechenland. Griechenland war einfach nicht interessant genug.

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Im weiteren Verlaufe des Gesprächs erwähnte Joachimides neben weiteren, teilweise vertraulichen Geschichten, die Schenkung seiner Bibliothek bzw. seines Archivs an die neue Bibliothek der Athener Hochschule der Künste, eine Sammlung, die „über 5.000 Bücher, eine Sammlungsarbeit von 50 Jahren“ umfasst. Dies ist auch sein letztes Vermächtnis an die deutsch-griechische Kunstwelt.

Eleana Stoikou