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17.07.2020

Hissen der Hakenkreuzflagge auf der Akropolis, Athen (Bildquelle: Bundesarchiv)

Hissen der Hakenkreuzflagge auf der Akropolis, Athen (Bildquelle: Bundesarchiv)

Wie haben sich die deutschen Besatzer in Griechenland selbst betrachtet und inszeniert? Und wie war es mit ihren griechischen Helfern? Gab es Deutsche, die im griechischen Widerstand gegen Deutschland kämpften? Wie wurde der Raub jüdischen Eigentums durchgeführt, und gab es ernsthafte Aufarbeitungsversuche oder eher organisierte Vertuschung?

Das Bild der deutschen Besatzungszeit in Griechenland (1941–1944) ist von Widersprüchen gekennzeichnet. Der Sammelband Die »Neue Ordnung« in Griechenland 1941–1944, hg. von Nikolas Pissis und Dimitris Karydas, behandelt wenig beachtete Aspekte dieses Diskurses. Neben den wissenschaftlichen Aufsätzen wird in dieser Publikation ein ausführlicher Bericht von Ioannis Kakridis, Ioannis Kalitsounakis und Nikos Kazantzakis von 1945 über die Gräueltaten der Wehrmacht auf Kreta in deutscher Übersetzung veröffentlicht. Hier können Sie die Einleitung der Herausgeber lesen.

Στο πρόγραμμα επιστημονικού βιβλίου της Edition Romiosini προστέθηκε ένας ακόμη συλλογικός τόμος υπό την επιμέλεια των Νικόλα Πίσση και Δημήτρη Καρύδα, στον οποίο παρουσιάζονται πτυχές της Γερμανικής Κατοχής, όπως η εικόνα που σκηνοθετούσαν για τον εαυτό τους οι γερμανοί κατακτητές, οι έλληνες δωσίλογοι και οι γερμανοί αντιφασίστες, καθώς και το Ολοκαύτωμα και η επεξεργασία του στις δεκαετίες που ακολούθησαν.

Die »Neue Ordnung« in Griechenland: Geschichtsforschung und Public history

Griechenland spielte in der »Neuen Ordnung« des Dritten Reiches, jener »Weltordnung der Versklavung und des Zynismus«, (Thomas Mann) die Hitlers kurzlebiges Imperium zusammenhalten sollte, keine herausgehobene Rolle. Im selben Maße, wie es nicht zu den ursprünglichen deutschen Kriegszielen gehört hatte, war es auch später kein Gegenstand von umfassenden Endsiegs- und Nachkriegsplänen geworden. Freilich gingen damit kaum Abstriche in Sachen Ausbeutung und Plünderung des Landes einher. Desinteresse ist nicht mit Harmlosigkeit zu verwechseln – man denke an die Hungersnot im Winter 1941/42 in griechischen Städten und die bestenfalls indifferente Haltung des deutschen Besatzungsregimes. Daher fokussiert die Fragestellung des vorliegenden Bandes nicht auf Griechenland in der Neuen Ordnung. Es wird weniger nach der Bedeutung Griechenlands in den größtenteils improvisierten und widersprüchlichen nationalsozialistischen geostrategischen Entwürfen gefragt. Vielmehr geht es um die Neue Ordnung in Griechenland, d. h. um die Realitäten der deutschen Besatzungsherrschaft zwischen 1941 und 1944 und ihre spätere Rezeption anhand einiger ausgewählter Aspekte: Fragen nach dem Selbstverständnis der Neuen Ordnung in Griechenland, nach ihrer Umsetzung und nach ihren weitgefächerten Konsequenzen. Diese Fragen beziehen sich auf die wirtschaftliche wie militärische Okkupationspraxis, ihre Zielsetzung und ihre faktische Auswirkung auf die griechische Gesellschaft, auf den Widerstand wie die Kollaboration in ihren vielseitigen Aspekten, aber auch auf Deutsche, die diese Neue Ordnunghintergingen und bekämpften, und nicht zuletzt auf die Verfolgung und Vernichtung der griechischen Juden. Damit werden nicht nur die italienische und die bulgarische Besatzungsherrschaft ausgeklammert, sondern auch Fragen nach den Umbrüchen in der griechischen Gesellschaft, nach der Widerstandsbewegung oder der Rolle der Exilregierung unberücksichtigt bleiben. Obwohl repräsentiert, sind es auch nicht primär Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, die unser Band in den Vordergrund stellt.

Sein Ziel ist es einerseits, zu einer aufgeklärten Verständigung über die Vergangenheit beizutragen, somit zu einer Entwicklung, die sich als positiver Nebeneffekt der Belastung des deutsch-griechischen Verhältnisses im Zuge der griechischen Staatsschuldenkrise ergeben hat. Während sich in der Öffentlichkeit beider Länder, in den Medien – beileibe nicht nur in der Boulevardpresse – gehäuft überwunden geglaubte Stereotypen, nachträgliche Projektionen, selbstgerechte Deutungsmuster und Instrumentalisierungen der Vergangenheit, aber auch erstaunliche Wissenslücken in der deutschen Öffentlichkeit oder verfestigte fehlgeleitete Vorstellungen in der griechischen manifestierten, wuchs das öffentliche Interesse an diesem düsteren Kapitel der deutsch-griechischen Beziehungen auf beiden Seiten erheblich. Insofern sprengen die hier publizierten Forschungsergebnisse und Bestandsaufnahmen den Rahmen ihrer wissenschaftlichen Einbettung. Sie schreiben sich faktisch in die »Erinnerungskriege«ein, die in der Wissenschaft wie in der breiten Öffentlichkeit sowohl in Griechenland als auch in Deutschland noch immer geführt werden.

Zwar hatte die einschlägige Forschung seit langem wesentliche Bausteine zur historischen Aufarbeitung der Ereignisse beigetragen, doch konnte dies nur bedingt auf die Geschichtsbilder der Öffentlichkeit einwirken. Daran lässt sich sowohl die Wechselwirkung von wissenschaftlicher, institutionell getragener Geschichtsforschung und öffentlichem Geschichtsdiskurs, der mittlerweile die Bezeichnung public history für sich beansprucht, erkennen, als auch ihre naheliegende Differenz. Denn öffentliche Geschichtsbilder und Vorstellungen werden überwiegend durch den öffentlichen Diskurs vermittelt, in dem die wissenschaftliche Forschung und Interpretation weniger Eingang findet, obwohl auch sie keineswegs von den öffentlich vorherrschenden politisch-ideologischen Motiven gefeit ist. Noch zu Beginn des vergangenen Jahrzehntes zeigten die öffentlichen Kontroversen über die Beteiligung von Wehrmachtssoldaten an Kriegsverbrechen, wie zählebig der inzwischen verblasste Mythos von der »sauberen Wehrmacht« in Deutschland noch war. Doch auf der Grundlage der früheren Forschungserträge sind in den letzten Jahren, teilweise unterstützt durch institutionelle Initiativen, eine Reihe von Veranstaltungen und Publikationen ermöglicht worden, die auf einen nachhaltigen Wandel hoffen lassen.

Für den vorliegenden Zusammenhang ist die Geschichte der Beschäftigung mit der Besatzung auf der griechischen Seite insofern relevant, als in deren Verlauf wichtige Facetten, Verzweigungen und Konsequenzen der NS-Herrschaft in Griechenland aus dem Blick geraten waren. Doch die Erforschung der deutschen Konzepte und ihre Umsetzung sind unentbehrlich für die Klärung der Entwicklungen auch auf der griechischen Seite. Eine totalisierende Perspektive auf die Bildung und Zusammensetzung der Frontstellungen und Konfliktlinien würde, jedenfalls im letzten Jahr der Okkupation, den Blick auf eine Trennlinie lenken, die nicht der nationalen sondern der politischen Konfrontation entlang lief.

 

Der Band soll aber auch einen Beitrag dazu leisten, das griechische Beispiel stärker in die komparative Forschungsdiskussion über die Neue Ordnung in den während des Zweiten Weltkriegs besetzten europäischen Ländern einzuordnen. Auch die boomende Forschung zu den 1940er Jahren in Griechenland würde davon, angesichts einer noch nicht überwundenen Neigung zum griechischen Exzeptionalismus, auf jeden Fall profitieren. Denn wesentliche Aspekte der Okkupationszeit, welche die Forschung beschäftigen, finden sich als Grundkonstellationen in den meisten besetzten Ländern wieder und können kaum außerhalb der übergreifenden Zusammenhänge des nationalsozialistischen Raub- und Rassenkrieges adäquat beschrieben werden. Und nur mittels einer vergleichenden Analyse lassen sich Gemeinsamkeiten und Abweichungen am Fallbeispiel Griechenland bestimmen und dieses in die typologischen Klassifizierungen zur deutschen Okkupationspraxis integrieren bzw. daran messen.

Wenn auch das Beispiel Jugoslawiens (und Italiens 1944) die meisten Parallelen aufzuweisen scheint, so lassen sich Regeln und Ausnahmen von Fall zu Fall einzeln bei der jeweiligen vergleichenden Untersuchung verschiedener Aspekte ausmachen. Das gilt zuallererst für die Wirtschaftspraxis der Besatzungsherrschaft und zwar angefangen mit der Erfassung der Beute durch deutsche Sonderkommandos, die in den ersten Tagen und Wochen der Besatzung dem italienischen Partner zuvorkamen, kriegswichtige Rohstoffe sicherten und Schlüsselpositionen besetzten.

Verglichen mit anderen Fallbeispielen und mit den typologischen Entwürfen lassen sich zudem einerseits Sachverhalte feststellen, welche die Regel bestätigen: die Ausbeutung der schrumpfenden Ressourcen des Landes zur Finanzierung der Besatzungskosten, die Zwangsrekrutierung von Arbeitskräften, das Zerstörungs-Crescendo beim deutschen Rückzug und nicht zuletzt die Enteignung, Deportation und Ermordung der jüdischen Gemeinde des Landes. Unter diesen übergreifenden Leitlinien reihen sich auch weitere Aspekte ein, die von Land zu Land variieren, während sie im Verlauf des Krieges eine unterschiedliche Ausrichtung und Gewichtung erhalten.

Aber andererseits stellen auch solche Aspekte, die in Griechenland besonders scharf hervortraten, wie die galoppierende Inflation und nicht zuletzt die Hungerkrise, nur unterschiedliche Ausprägungen der NS-Herrschaft dar, wie sie die meisten besetzten Länder erfahren haben. Eine griechische Besonderheit stellen weder die faktischen Gebietsverluste dar, welche die ohnehin schwache Autorität der Kollaborationsregierung weiter unterminierten, noch die Konkurrenz letzterer mit der unter britischer Ägide stehenden Exilregierung. Auch das »organisierte Chaos« des Besatzungsregimes stellt die Regel dar, auch wenn viele Griechen, wie es Hagen Fleischer formulierte, »im axiomatischen Glauben an deutsche Organisation und Effizienz« darin eine »besonders raffinierte Version machiavellistischer Rollenverteilung zur Verwirrung des Widerstandes« vermuteten.

Nach Kontextualisierung und Vergleich verlangen daher auch die Kriegsverbrechen gegen die griechische Zivilbevölkerung vor allem ab 1943, euphemistisch als »Sühnenmaßnahmen« und »Vergeltungsaktionen« kaschiert. Die entscheidende Zäsur vom Herbst 1943 für die deutsche Besatzungsherrschaft in Griechenland ist zunächst einmal im übergreifenden Kontext des Kriegsverlaufs einzuordnen. Ιn dieser zweiten Phase der Besatzung mussten die primär wirtschaftlichen Ziele unmittelbar militärischen Anforderungen aus zweierlei Gründen weichen: Zum einen hatte sich das Potenzial an Arbeitskräften und Abgaben, die von der griechischen Bevölkerung herausgepresst werden konnten, die Grenze ihrer Ausnutzung erreicht. Zum anderen, auch nicht zuletzt als Folge der verheerenden Bedingungen der Besatzung, stellte die Widerstandsbewegung ab dem Winter 1942-43 eine Kraft dar, mit der auch militärisch zu rechnen war.

Durch diese Verschärfung ergaben sich die Koordinaten des letzten, weitaus grausamsten, Besatzungsjahres: »Die Regeln der Ostfront waren nach Griechenland gekommen« (Mark Mazower). Mit der Ausdehnung der deutschen Kontrolle auf die bis dahin italienisch besetzten Gebiete gingen Verschiebungen im Herrschaftsgefüge des deutschen Besatzungsregimes von politisch-diplomatischen Stellen hin zu militärischen einher. Um dem enormen Erstarken des linksorientierten Widerstands effektiv zu begegnen, wurden in sich langwährende Widersprüche und soziale Konflikte im Lande von der Besatzungsmacht geschürt, die mit der Aufstellung der Sicherheitsbataillone durch die Regierung Rallis (Apr. 1943 – Okt. 1944) in bürgerkriegsähnlichen Szenarien eskalierten. Der Ausbau der sicherheitspolizeilichen Kräfte, die Truppensammlung aufgrund der großen Befürchtung einer alliierten Landung in Griechenland und schließlich die Entfesselung des Repressalien-Terrors sind die Hauptmerkmale der deutschen Politik im letzten Jahr der Besatzung.

Umgekehrt vermag das griechische Beispiel Probleme zu beleuchten und Debatten zu bereichern, welche die internationale Forschung zum Zweiten Weltkrieg beschäftigen. Das ist bereits etwa am Beispiel der Wehrmachtsverbrechen und der Dekonstruktion von einschlägigen Mythenbildungen oder der Verfolgung und Vernichtung der griechischen Juden, ihren Etappen, ihren Organisatoren und ihren Profiteuren, demonstriert worden. Daher ginge es bei einer komparativen Untersuchung nicht ausschließlich darum, Griechenland in den Okkupationstypologien der Forschung überzeugend einzuordnen, sondern auch diese weiter auszudifferenzieren, wie es Karl Heinz Roth jüngst angeregt hat.

 

Den Band schließt ein Dokument ab, das die deutsche Besatzung Kretas und die dort von Wehrmachtseinheiten verübte Unzahl an Kriegsverbrechen betrifft. Kreta stellt in der Tat in mehrfacher Hinsicht einen Sonderfall im Zusammenhang der deutschen Okkupationspraxis in Griechenland dar. So zeugt schon der militärische Aufwand zur Eroberung der Insel und die Entscheidung, diese, bis auf die den Italienern überlassene östlichste Provinz (Lassithi), in deutscher Hand zu halten, von einem besonderen geostrategischen Interesse. Die Sicherung der »Festung Kreta« wurde zur »im Südostraum zur Zeit vordringlichsten Aufgabe« erklärt. Zudem war Kreta Gegenstand deutscher Kriegsplanungen schon vor dem italienischen Angriff im Oktober 1940 gewesen und, ginge es nach dem Oberkommando der Marine – Hitler stimmte dem Ansinnen zu –, sollte es auch nach dem Endsieg im deutschen Besitz verbleiben. Auf jeden Fall war die »Festung Kreta« eines der Gebiete mit der höchsten Besatzungsdichte im Europa der Neuen Ordnung; die Festungskommandanten genossen im Vergleich zu den Besatzungsstellen auf dem Festland außerordentliche Freiräume. Auch sind die »Regeln der Ostfront« nicht erst im Herbst 1943 nach Kreta gekommen. Schon unmittelbar nach der Besetzung der Insel – übrigens vor Beginn des »Unternehmens Barbarossa« – fand das Prinzip der Kollektivhaftung zum ersten Mal in Griechenland (massiv) Anwendung. Zu den Besonderheiten der Besatzung Kretas gehört zudem die Tatsache, dass der früh entfachte Widerstand nicht im selben Maße wie auf dem Festland von der EAM-ELAS dominiert wurde, sowie dass die Rolle von britischen Spezialkräften darin noch entscheidender ausfiel.

Eine Ausnahme stellt schließlich Kreta auch in Bezug auf die Schicksale der Hauptverantwortlichen dar. Die Festungskommandanten der Insel hatten sich nach dem Krieg vor der griechischen Justiz zu verantworten. Zwei von ihnen, die Generäle Bruno Bräuer und Friedrich Wilhelm Müller, wurden 1947 in Chaidari/Athen hingerichtet. Dasselbe Schicksal ereilte den berüchtigten Fritz Schubert, der als Chef des »Jagdkommando Schubert«, das überwiegend aus lokalen Kollaborateuren bestand, zum Inbegriff des Terrors gegen die kretische Zivilbevölkerung geworden war.    

Der hier in Übersetzung veröffentlichte »Bericht zur Feststellung von Gräueltaten auf Kreta« wurde im Auftrag der griechischen Regierung im Sommer 1945 von einer zu diesem Zweck ernannten Kommission erstellt. Als Mitglieder der Kommission, die eine Durchfahrt durch die Insel zwischen dem 29. Juni und 6. August 1945 unternahm, fungierten drei der namhaftesten griechischen Intellektuellen der Zeit, der Schriftsteller Nikos Kazantzakis und die Philologen Ioannis Kalitsounakis und Ioannis Kakridis, denen sich als viertes Mitglied der Photograph Konstantinos Koutoulakis anschloss. Wenn einem deutschsprachigen Publikum Kazantzakis (1883-1957), als Autor der »Letzten Versuchung Christi« oder von »Alexis Sorbas« nicht eigens näher eingeführt zu werden braucht, so sei hier kurz auf die Karrieren von Kalitsounakis (1878-1966) und Kakridis (1901-1992) und ihre Verbindungen zu Deutschland eingegangen. Kakridis studierte in Berlin und Leipzig, bevor er zum Professor an der Aristoteles-Universität Thessaloniki wurde. 1961 wurde er in Tübingen zum Doktor h.c. ernannt. Kalitsounakis hat nicht nur in Deutschland, in Jena und Berlin, studiert, sondern auch jahrelang (zwischen 1906 und 1939, ab 1924 in halbjährigem Turnus mit einer Professur an der Universität Athen) an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin Byzantinische und Neugriechische Philologie unterrichtet. Nach seiner Emeritierung in Athen 1948 lehrte er erneut an der neugegründeten Freien Universität, zu deren Honorarprofessor er 1953 ernannt wurde.

Der Bericht wurde dem griechischen Außenministerium übergeben und blieb dann Jahrzehnte lang verschollen. Erst 1983 wurde die Abschrift, die der Schriftsteller und Freund von Kazantzakis, Pantelis Prevelakis, angefertigt hatte, entdeckt und veröffentlicht. Laut Kakridis war der Bericht im Zuge der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen und der Handelsabkommen zwischen der BRD und Griechenland unterdrückt worden, was im Zusammenhang mit den Forderungen der bundesdeutschen Diplomatie und dem Entgegenkommen der griechischen Regierungen in den 1950er Jahren durchaus Sinn ergibt.

Es ist ein sprechendes Zeichen für den eingangs erwähnten Interessezuwachs, dass während der Vorbereitung zur Veröffentlichung dieses Bandes und parallel zu unserem Vorhaben eine weitere deutsche Übersetzung des Berichts durch Markus List in der Reihe »Zeugnisse« der Gesellschaft für Kretische Studien publiziert wurde. Die Entscheidung, die uns schon vorliegende Übersetzung von Tobias Blümel und Eleni Paltoglou-Blümel zu veröffentlichen, haben wir getroffen, da dem gemeinsamen Ziel, das Dokument der deutschsprachigen Forschung und Öffentlichkeit zugänglich zu machen – in derselben Absicht, die der Band insgesamt verfolgt – durch die online-Veröffentlichung des Dokuments nur geholfen wird. Mit der Veröffentlichung dieses Dokuments, das keine leichte Lektüre darstellt, geht es nicht darum, die angesprochenen deutsch-griechischen Spannungen der Gegenwart weiter anzuheizen. Fern vom bequemen, selbstgerechten Umgang mit dem Gedenken, sei es auf deutscher Seite die Erfolgsgeschichte der gelungenen Vergangenheitsbewältigung oder auf griechischer Seite die Instrumentalisierung einer ewigen Opferrolle, gilt es heute statt den Schrecken zu trivialisieren, sich eine verbindliche moralische Verpflichtung zu eigen zu machen: gegen das Vergessen und gegen das Ideengut, welches das Grauen erst ermöglichte.

Nikolas Pissis und Dimitris Karydas (Hg.),
"Die »Neue Ordnung« in Griechenland: Geschichtsforschung und Public history" (gekürzte Fassung),
in: Die »Neue Ordnung« in Griechenland 1941–1944, Berlin, Edition Romiosini, 2020, S. 7-21.