Hybride Identitäten des ionischen Kulturraums: Netzwerke und Kulturtransferprozesse am Beispiel der Brüder Lountzis
Michail Leivadiotis (promoviert)
Die Aufgabe der kulturgeschichtlichen Annäherung besteht 1. in der Erschließung der Netzwerke der Transferverhältnisse im ionischen Raum anhand des Beziehungsgeflechts der Brüder E. und N. Lountzis, bei denen die unterschiedlichen Stränge und Einstellungen des „Germanismus“ zusammenkommen, und 2. in der Untersuchung des diskursiven Niederschlags des Transfers in ihren bisher größtenteils unerschlossenen literarischen, geschichtlichen und religionstheoretischen Schriften und sodann in der Entwicklung des nationalen, sozial-politischen und intellektuellen Selbstverständnisses dieser Akteure. Die sich mal durchkreuzenden und mal stark voneinander abweichenden Lebens- und Denkwege der Brüder lassen in exemplarischer Weise die Bedingungen aufzeigen, welche den Übergang des ionischen Kulturraums von einer vornationalen zu einer nationalen Identitätsbildung markieren. Die Suche nach neuen Identitäten ist repräsentativ für das Anliegen des damaligen ionischen Adels bzw. der gehobenen Schichten, die überkommene kulturelle Identität, die durch das Ende der feudalen Epoche und das Heraufziehen der Moderne brüchig geworden war, neu zu verhandeln. Dieser Reflex der Selbsterhaltung brachte die ionischen Gelehrten, freilich bedingt durch die je eigenen Lebensumstände, in Kontakt mit der klassischen deutschen Philosophie und Literatur. Die Familie Lountzis stellt einen privilegierten Gegenstand dar, um die Hintergründe dieser Prozesse als dynamisches, hybrides und auch z.T. offenes Umfeld an der Schnittstelle von europäischem Zentrum und europäischer Peripherie zu erhellen.