#Lesenswert
23.05.2021
„Lord Byron ist tot! Diese Kunde flog wie ein Donnerschlag durch die Straßen von Missolunghi und weiter und weiter durch Griechenland und die Welt.“ Als George Gordon Noel Byron (1788–1824), besser bekannt als Lord Byron, am 19. April 1824 in der westgriechischen Hafenstadt Messolongi sein Leben ließ, sorgte dies nicht nur in der literarischen Welt für Erschütterung. Denn der von Goethe als „größtes Talent des Jahrhunderts“ gepriesene Dichter war zugleich die größte Galionsfigur des europäischen Philhellenismus.
Wenn die bedrängten Griechen durch seinen Tod einen ihrer prominentesten Unterstützer verloren, gewann ihr Anliegen in Europa durch ihn erneut an Gehör. Dies war auch in Deutschland der Fall, wo Byron in Wilhelm Müller (1794–1827) seinen wichtigsten Verbündeten fand. Der aufgrund seiner philhellenischen Lyrik als „Griechen-Müller“ bekannte Dichter und Publizist verfasste 1824 nicht nur einen poetischen Nachruf auf den „Helden der Leier“, sondern nahm auch eine Biographie des Dichters in Angriff, in der er Byrons Kampf für Griechenland gebührend herausstellte.
Der hier veröffentlichte Ausschnitt aus Müllers Biographie, die 1825 in der Zeitschrift Zeitzeugen erschien, handelt von Byrons letzter Reise nach Griechenland (veröffentlicht in: Wilhelm Müller, Werke, Tagebücher, Briefe, Hg. von Maria-Verena Leistner, Gatza, Berlin, 1994, B. 4, 255-275). Er vermittelt uns nicht nur einen Eindruck des romantischen Lebensgefühls, mit dem die europäischen Philhellenen damals in das Land ihrer Träume zogen, sondern gibt uns auch einen Einblick in die rauen Gegebenheiten, unter denen sie sich dort zu bewähren hatten.
Το ταξίδι του Λόρδου Βύρωνα στην Ελλάδα και ο θάνατός του στο Μεσσολόγγι τον Απρίλιο του 1824 ενέπνευσαν ανάμεσα σε άλλους και τον ρομαντικό Βίλχελμ Μύλλερ. Εδώ παραθέτουμε στα γερμανικά το σχετικό χωρίο από τα Κείμενα για τη λογοτεχνία του γερμανού ρομαντικού ποιητή.
Lord Byrons letzte Tage in Griechenland
[…] Lord Byron verließ Italien zwar entschlossen und auf alles gefasst, aber nicht ohne finstere Ahnungen. Es war ihm einst geweissagt worden, dass sieben eine unglückliche Zahl für ihn sein würde; im siebenundzwanzigsten Jahre schloss er seine Ehe, und das siebenunddreißigste Jahr rief ihn aus dem Leben ab. Auch pflegte er nicht selten zu äußern, und zwar schon vor der Zeit seiner letzten Unternehmung, dass er in Griechenland zu sterben ahne und hoffe. Am 19. April 1823, also gerade ein Jahr vor dem Tage seines Todes, war er ernster und gedankenvoller als gewöhnlich, und sagte zu dem jungen Grafen Gamba, mit dem er einen Spaziergang nach seinem Palaste bei Albaro machte: wo werden wir übers Jahr sein? Alsdann wollte er einige Stunden allein bleiben und aß ohne Gesellschaft zu Mittag. Aber ahnungsvoller als dieses alles klingt sein Schwanengesang, das Lied, welches er an seinem letzten Geburtstage in Missolunghi gedichtet hat.
[1] 'Tis time this heart should be unmoved,
Since others it hath ceased to move:
Yet, though I cannot be beloved,
Still let me love!
My days are in the yellow leaf;
The flowers and fruits of love are gone;
The worm, the canker, and the grief,
Are mine alone!
The fire that in my bosom preys
Is like to some volcanic isle;
No torch is kindled at its blaze
A funeral pile!
The hope, the fear, the jealous care,
Th' exalted portion of the pain
And power of love, I cannot share,
But wear the chain.
But' tis not here - it is not here -
Such thoughts should shake my soul; nor now,
Where glory seals the hero's bier,
Or binds his brow.
The sword, the banner, and the field,
Glory and Greece, around us see!
The Spartan, borne upon his shield,
Was not more free.
Awake! (not Greece - she is awake!)
Awake, my spirit! Think through whom
My life-blood tastes its parent lake,
And then strike home!
I tread reviving passions down,
Unworthy manhood! unto thee
Indifferent should the smile or frown
Of beauty be.
If thou regreat'st thy youth, why live?
The land of honourable death
Is here: - up to the field, and give
Away thy breath!
Seek out - less often sought than found –
A soldier's grave, for thee the best;
Then look around, and choose thy ground,
And take thy rest.
Lord Byrons Schiffsladung bestand außer seinem und seiner Freunde Gepäck und Waffenzeug in einem bedeutenden Vorrat von Medikamenten, Bandagen und andern chirurgischen Bedürfnissen; und seine Kasse fasste nicht mehr als zehntausend spanische Taler in barem Gelde und etwa noch vierzigtausend in Wechseln. Das Schiff war ausschließlich für seine Reise gemietet und ganz zu seiner Verfügung gestellt. Die Seefahrt begann mit Stürmen und manchen andern ungünstigen Vorzeichen. Byron hatte nie einen Vulkan gesehn, und das Schiff wich deshalb von seinem Laufe ab, um vor der Insel Stromboli vorbeizufahren.
Eine ganze Nacht lag er hier still, in der Hoffnung, das gewöhnliche Phänomen zu sehen; aber zum ersten Mal bei Menschengedenken warf der Vulkan in so langer Zeit keinen Funken aus, und der getäuschte Dichter war genötigt, in schlimmer Laune über die fabelhafte Esse des Vulkans weiterzusegeln. Im Anfange des Augusts landete der »Herkules« in Cefalonia, und hier beschloss Byron seinen Aufenthalt zu nehmen, bis er, nach vollständiger und sicherer Erkundigung über den Stand der griechischen Verhältnisse und Bewegungen, entscheiden könnte, wo seine persönliche Teilnahme an dem großen Kampfe am wirksamsten sein möchte. Um die Hauptstadt von Cefalonia der englischen Behörden halber zu vermeiden, zog er sich nach dem kleinen Dorfe Metaxata zurück, um von diesem Beobachtungspunkte aus der Gang der Dinge auf dem Festlande von Hellas zu verfolgen und seine Unterhandlungen und Verbindungen mit den dortigen Machthabern und Parteihäuptern anzuknüpfen. Diesem Geschäft war seine ganze Zeit gewidmet, und er rührte keine Feder an, als um Briefe zu schreiben. Selbst sein Journal vernachlässigte er zu führen. »Poesie«, pflegte er zu sagen, »sollte nur einen Müßiggänger beschäftigen. In ernstern Angelegenheiten wäre es lächerlich, Verse zu schreiben.«[2]Ein methodistischer Arzt fand sich damals häufig in Metaxata ein und schien die Absicht zu haben, den verrufenen Lord zu einem guten Christen zu bekehren. Dieser ließ sich auch oft in Gespräche und Disputationen mit ihm ein, aber leider war er dem Bekehrer zu überlegen an schnellem Urteil und schlagendem Witz, als dass die gutgemeinten Bemühungen desselben ihren Zweck hätten erreichen können. Nichtsdestoweniger erkannte indessen der Lord Byron die Reinheit der Absichten dieses Leibarztes auf die Heilung seiner Seele mit freundlichem Danke an.
Griechenland schwebte damals in einer traurigen Verwirrung, obgleich minder hart von äußern Feinden als von innern Parteiungen bedrängt. Zwar hatte der dritte Feldzug mit einigen glücklichen Erfolgen für die Hellenen begonnen. Odysseus und Niketas standen siegreich bei den Thermopylen, Morea war bis auf Korinth, welches noch im Laufe desselben Herbstes fiel, und, außer Patras, Modon und Koron, von den Türken befreit. Aber die Zwistigkeiten der Machthaber und Anführer untereinander zerstörten fast alle Früchte der Anstrengungen des Volks und hatten allmählig das Ansehn eines Bürgerkriegs gewonnen. Die Generale waren zu verschiedenen Unternehmungen beordert worden, aber es fehlten ihnen alle Mittel, ihre Truppen zu besolden und zu verpflegen. Große Verwirrung entstand, und in den Straßen von Tripolizza fiel ein blutiges Gefecht zwischen Spartanern und Arkadiern vor, deren Anführer Nebenbuhler waren. An den Spitzen der beiden Hauptparteien standen der ehrgeizige und habsüchtige Kolokotroni und der diplomatisch gebildete und den Engländern besonders zugewandte Maurokordato, welcher schon als Konstantinopolitaner von den alten in Raub und Krieg aufgewachsenen Häuptlingen der peloponnesischen Halbinsel mit Hass und Misstrauen betrachtet wurde. Kolokotroni war um diese Zeit Vizepräsident der ausübenden Regierung, Maurokordato leitete als Sekretär die auswärtigen Angelegenheiten; Veranlassung genug für seine Neider und Feinde, ihn zu beschuldigen, dass er ohne Mitwissen der Regierung in Briefwechsel mit fremden Höfen stehe und danach strebe, sich zum Präsidenten des gesetzgebenden Körpers erwählen zu lassen. Die Sache kam endlich dahin, dass der damalige Präsident vom Sitze der Regierung entfloh, und Maurokordato an seine Stelle erwählt ward. Aber auch er sah sich sehr bald gezwungen, sein Amt niederzulegen und in Hydra Schutz zu suchen, wo die bürgerliche oder Handelspartei die vorherrschende war.
Das westliche Griechenland befand sich ebenfalls in einer verzweifelten Lage. Mustapha, Pascha von Skutari, war mit großer Macht in Akarnanien eingedrungen. Der heldenmütige Markos Bozzaris zog ihm mit seiner kleinen Schar entgegen[3], und sein Opfertod für das Vaterland in dem nächtlichen Überfall bei Karpenissi hemmte zwar das Vorrücken des türkischen Heers auf einige Tage; aber dennoch war die Gefahr dadurch nicht beseitigt, welche namentlich der Festung Missolunghi von den vereinigten Streitkräften des genannten Paschas und des Omer Vriones drohte. Sie zogen sich immer näher und näher um Missolunghi zusammen und fingen im Oktober sogar schon an es zu berennen; und fast zu gleicher Zeit erschien eine türkische Flotte vor der Stadt und blockierte, wenigstens dem Namen nach, ihren und die übrigen Häfen dieser Küste.
Die Behauptung von Missolunghi schien die wichtigste Aufgabe des Feldzugs, aber die Mittel des Widerstandes,welche diese Festung damals einer Belagerung entgegensetzen konnte, waren sehr gering. Lord Byrons Ankunft in Cefalonia, deren Ruf sich wie mit Blitzesschnelle durch ganz Griechenland verbreitet hatte, und überall und von jeder Partei mit freudiger Hoffnung aufgenommen worden war, schien gerade jetzt dem bedrängten Missolunghi Rettung und Schutz zu bringen. Byron selbst erkannte auch wohl die Wichtigkeit und die Not dieses Platzes; dennoch stand er an, sich dahin zu begeben, um nicht einer Partei in die Hände zufallen; denn er wollte ja nicht für eine Partei, sondern für die allgemeine Sache des griechischen Volks wirken; und so widerstand er den vielfachen Aufforderungen und Verheißungen, welche ihm von den Häuptern der verschiedenen Faktionen hintereinander gemacht wurden, mit gleicher Standhaftigkeit. »Ich werde dafür sorgen«, schrieb er in bezug auf diese Verhältnisse, »dass mein Geld für das öffentliche Wohl verwendet werde; außerdem gebe ich keinen Para. Die Opposition sagt, sie müsse mir schmeicheln, und die herrschende Partei sagt, jene wünsche mich zu verführen. So habe ich zwischen beiden eine schwere Rolle zu spielen. Desungeachtet will ich mit den Faktionen nichts zu schaffen haben, außer wenn es möglich ist, sie zu vereinigen.«
Dieses letzte Ziel verlor auch unser Dichter in keiner seiner Bestrebungen und Handlungen aus den Augen, und wer weiß, ob seinem Ansehn und seiner geistigen Macht nicht das Unmögliche gelungen sein möchte, wenn er nicht so bald von seiner großen Laufbahn abgerufen worden wäre. Er ließ sich daher in keine Unterhandlungen und Verpflichtungen mit irgendeiner Partei ein, sondern wandte sich durch zwei seiner Freunde[4], die er von Cefalonia absandte, unmittelbar an die Regierung. Die beiden Versammlungen hatten damals die Hauptstadt von Morea, wohin die Gesandten gerichtet waren, eben verlassen und sich nach Salamis zurückgezogen. Dennoch war für die Freunde des Lord Byron der Verzug ihrer Ankunft in der Residenz der Regierung durch die Reise nach Tripolizza nicht ganz fruchtlos. Denn sie fanden dort Kolokotroni und andere mächtige Häuptlinge, auch mehrere Offiziere aus Maurokordatos Gefolge, und sahen sich dadurch in den Stand gesetzt, eine große Menge der wichtigsten Erkundigungen aus den nächsten Quellen zu schöpfen. Der Kongress in Salamis empfing die Bevollmächtigten des Lord Byron mit der größten Auszeichnung und der freundlichsten Offenheit, und weihte sie so vollkommen in den gegenwärtigen Stand der Dinge und in seine Pläne für den nächsten Feldzug ein, dass es ihnen möglich ward, ihrem Freunde einen erschöpfenden und überzeugenden Bericht darüber abzustatten. Darin sagt Trelawney unter anderm: »Fällt Missolunghi, so ist Athen in Gefahr, und Tausende werden über die Klinge springen. Mit einigen tausend Talern würde man Schiffe ausrüsten können, um es zu entsetzen. Ein Teil dieser Summe ist erhoben, und ich würde mein Herz zu Münze schlagen, um diesen Schlüssel Griechenlands zu retten.« Fast zu gleicher Zeit mit diesem Bericht kam auch ein Brief des Fürsten Maurokordato in Cefalonia an, welcher, übereinstimmend mit den Ansichten des Kongresses, in den Lord drang, sich nach Missolunghi zu begeben und alle seine Kräfte an die Behauptung dieses Platzes zu setzen. Auch fügte er das Versprechen hinzu, in kurzem mit einer hydriotischen Flotte der türkischen Blockade der Festung ein Ende zu machen.
Jetzt galt kein Schwanken und Zaudern mehr, und nur das angeknüpfte Geschäft der englischen Anleihe, woran Byron allen seinen Kredit und seinen ganzen Einfluss gewandt hatte, hielt ihn noch einige Zeit auf den ionischen Inseln zurück. Auch die Sulioten, seine alten Lieblinge, zogen ihn nach dem westlichen Hellas hinüber. Mehrere Haufen derselben hatten den Wunsch ausgesprochen, unter dem Manne zu dienen, welcher ihnen von ihrem Leonidas kurz vor seinem Opfertode auf das wärmste empfohlen worden war, und Byron fühlte sich von dem Gedanken hoch begeistert, an der Spitze einer solchen Schar zu stehen.[5] Endlich kam das ersehnte Geschwader mit dem Fürsten Maurokordato in den Gewässern von Missolunghi an, und Byron rüstete sich zu seiner letzten Reise. Nachdem er alle seine Papiere zu barem Gelde gemacht, ließ er zwei ionische Schiffe mieten, seine Pferde und sein Gepäck einschiffen und segelte den 29. Dezember von Argostoli ab. Noch am Abend desselben Tages ging er bei Zante vor Anker, um seine Gelder von einem dortigen Bankier einzunehmen, und setzte sodann seine Fahrt nach Missolunghi fort. Die Leitung des einen Schiffs, auf welchem sich die Pferde, Waffen und ein großer Teil des Gepäcks und der Kasse befanden, war dem Grafen Gamba anvertraut, auf dem andern befehligte Lord Byron selbst. Zwischen Zante und Missolunghi, unweit Chiarenza, sahen sich die Reisenden mit einem Male, und zwar am hellen Mittage, unter den Kanonen einer türkischen Fregatte, und nur der angestrengten Tätigkeit seiner Mannschaft und seinem bessern Segelwerke hatte das Schiff, auf welchem Lord Byron fuhr, seine Rettung zu verdanken. Aber das des Grafen Gamba konnte nicht so schnell folgen und fiel den Türken in die Hände, welche es mit seiner Mannschaft nach Patras brachten. Der Graf, ebenso klug als entschlossen, verlor durch diesen schrecklichen Schlag die Besinnung nicht und verblüffte durch seine kühne Berufung auf die britische Neutralität, unter deren Schutze er als friedlicher Reisender nach Kalamata segeln wollte, den blutdürstigen Jussuf Pascha dergestalt, dass dieser ihn, samt seinem Schiffe, ohne weitere Untersuchung freigab. Ohne Verzug gingen die Geretteten nun wieder unter Segel und erreichten Missolunghi, wo sie zu ihrem größten Erschrecken erfuhren, dass Lord Byron noch nicht angekommen sei. Die Stürme hatten sein Schiff genötigt, bei den Felsengruppen der sogenannten Skrofes, einige Meilen von Missolunghi, Schutz zu suchen und sogar bis Dragomestre zurückzukehren, wo es drei Tage verweilen musste. Maurokordato, von Byrons naher Ankunft und den Gefahren, die ihn verfolgt hatten, unterrichtet, sandte sogleich ein Kanonier-boot aus, welches dessen Schiff aufsuchen und geleiten sollte, und zu gleicher Zeit lief ein Teil des hydriotischen Geschwaders in die See, um die Küsten zu decken. Aber das Meer schien seinen Liebling, »den Reiter, den es kannte, wie ein treues Pferd den seinigen«, nicht nach der Stadt tragen zu wollen, in welcher der Tod seiner wartete. Es trieb ihn auf Untiefen und gegen Klippen, die sein Schiff zu zerschmettern drohten; und als er auch da wieder flott geworden war, drehte sich der günstige Wind um und zwang ihn, noch tagelang an den unzugänglichen Inseln vor Anker zu liegen, welche die Küste bei Missolunghi umgeben. So ward diese Seereise eine tüchtige Vorbereitung zu einem Feldzuge, und Byron selbst scheint sie auch so genommen zu haben. Er hatte seine Wäsche und Kleider seit der Abfahrt von Cefalonia nicht gewechselt, stets auf dem Verdeck geschlafen und sich überhaupt an Arbeiten, Mühseligkeiten und Entbehrungen mehr gewöhnt, als der Drang der Umstände es gerade erfordert haben würde.
Es war am 5. Januar, als Lord Byron in Missolunghi landete. Er wurde mit den lebhaftesten und ehrenvollsten Äußerungen der Freude und Liebe, wie ein Heiland, empfangen. Als das Schiff vor Anker ging, salutierten die Kanonen der Festung. Der Fürst Maurokordato, alle Behörden, die Truppen der Besatzung, die Einwohner der Stadt, ja man möchte sagen alles, was Füße hatte, kam ihm entgegen und begleitete ihn unter Freudengeschrei, zwischen Kränzen, Blumen und wehenden Tüchern, unter dem Geläute der Glocken und dem Donner des Geschützes, nach dem für ihn eingerichteten Hause. Wer hätte es damals ahnen mögen, dass sie so bald die Leiche des hoch gefeierten Mannes aus demselben Hause an das Meeresufer geleiten würden! Wenn einer, so war es Lord Byron selbst. Von dem Augenblick an, wo er das griechische Festland betreten hatte, stand in ihm die Überzeugung fest, er werde es nicht wieder verlassen. Oft sagte er zu dem Grafen Gamba: »Andre mögen tun, was ihnen beliebt, mögen sie gehn oder bleiben; aber ich bleibe hier, das ist gewiss.« Eines Tags fragte er seinen treuen ltaliener Tita: ob er nach Italien zurückzukehren denke? »Ja«, antwortete Tita, »wenn Ew. Herrlichkeit zurückgehen, so gehe ich mit.« Lord Byron lächelte und sagte: »Nein, Tita, ich kehre nicht wieder aus Griechenland zurück; die Türken oder die Griechen oder das Klima werden schon dafür sorgen, dass ich bleiben muss.« Aber diese trüben Ahnungen lähmten die Tätigkeit des edlen Griechenfreundes nicht, und von dem Tage seiner Ankunft in Missolunghi bis zu den Tagen seiner Krankheit, und selbst in diesen noch, war seine ganze Seele dem großen Ziele zugewandt. Seine Pläne und Bestrebungen waren sehr vielseitig, aber er widmete allen einen gleichen Eifer. Teils beschäftigte ihn die englische Anleihe, für deren Abschließung er gleichzeitig durch seine Freunde in London und bei den uneinigen Oberhäuptern der Griechen zu arbeiten hatte. Dann nahm er teil an den Einrichtungen und Vorschlägen der Gesellschaft der englischen Philhellenen, welche damals durch ihren Gesandten, den Colonel Stanhope, in Griechenland vertreten wurden. Zwar stimmte er in manchen Stücken nicht mit den, vielleicht auch wirklich übereilten, Unternehmungen dieser Gesellschaft überein, wie uns der genannte Colonel in seinem Buche berichtet: aber wo er mit eigner Überzeugung für einen Plan derselben wirken konnte, da tat er es, als ob es sein eigner gewesen wäre, und hielt sich überhaupt in jedem Kreise seiner Tätigkeit frei und rein von Eifersucht, Ehrgeiz und Parteilichkeit. Alles, was für Griechenlands Freiheit geschah, war ihm, woher es auch kommen mochte, gleich willkommen und gleicher Anerkennung und Unterstützung würdig.
Vor allem war die barbarisch wilde Art und Weise, den Krieg zu führen, in welcher die Griechen den Türken wenig nachgaben, ein Gegenstand der Aufmerksamkeit des Lord Byron, und er bemühte sich, die Grundsätze und Rechte der gebildeteren europäischen Staaten auch auf dem Schlachtfelde geltend zu machen. Der erste Tag seiner Ankunft in Missolunghi war durch die Befreiung eines Türken bezeichnet, und nicht lange darauf fand er auch Gelegenheit, dem Jussuf Pascha seine Dankbarkeit für die Freilassung des Grafen Gamba an den Tag zu legen. Er erfuhr nämlich, dass vier türkische Gefangene sich in der Stadt befänden, und ersuchte den Fürsten Maurokordato, sie ihm zu überlassen. Dieser stand nicht an, seiner Bitte zu willfahren, und Lord Byron schickte sein Eigentum sogleich an den Pascha nach Patras mit folgendem Schreiben ab: »Ein Schiff, welches einen meiner Freunde und mehrere Leute meines Gefolges an Bord führte, war von einer türkischen Fregatte genommen und nach Patras gebracht, aber auf Ihren Befehl wieder losgelassen worden. Ich habe Ihnen meinen Dank dafür zu sagen, nicht dass Sie ein Schiff freigaben, welches, als unter neutraler Flagge und dem britischen Schutze segelnd, von niemand rechtmäßigerweise angehalten werden konnte, sondern dass Sie meine Freunde, solange sie in Ihrer Gewalt waren, mit so vieler Artigkeit behandelt haben. In der Hoffnung, Ew. Hoheit einen angenehmen Dienst zu erweisen, habe ich mir von dem Gouverneur dieses Platzes die Freilassung von vier türkischen Gefangenen ausgebeten und sie von demselben erhalten, welche ich nunmehr zurücksende, um Ihnen die mir bei der letzten Gelegenheit bewiesene Aufmerksamkeit zu erwidern. Es sind diese Gefangenen ohne alle Nebenbedingung freigegeben; nur bitte ich Ew. Hoheit, dass, wenn Sie sich dieser Begebenheit künftig erinnern wollen, Sie die griechischen Kriegsgefangenen, die in Ihre Hände fallen werden, mit Menschlichkeit behandeln möchten. Die Schrecken des Kriegs sind an und für sich schon fürchterlich genug und sollten fernerhin nicht von beiden Seiten mit so zügelloser Grausamkeit noch vermehrt werden.« - Ein andres, nicht minder ruhmwürdiges Beispiel gab Lord Byron bald nach dieser Begebenheit den Griechen wie den Türken, und es blieb auf beide nicht ohne Wirkung. Ein griechischer Kreuzer hatte ein türkisches Boot mit Reisenden, Weibern und Kindern genommen, welche dem Lord Byron auf sein Ansuchen überliefert wurden. Sogleich ließ dieser ein Schiff mit dem nötigen Reisebedarf ausrüsten und sandte sie alle, vierundzwanzig an der Zahl, nach Prevesa an den Beker Aga. Der Türke ließ dem Engländer in seinem Danksagungsschreiben die Versicherung geben: dass gleiche Behandlung künftig den gefangenen Griechen zuteil werden sollte.
Ebenso eifrig war Lord Byron bemüht, die unglücklichen Fehden und Zwistigkeiten beizulegen, welche die Häupter der Griechen voneinander trennten und ihre Kräfte ohne Frucht für das allgemeine Wohl aufrieben.
Er scheute keine Arbeit und wurde durch kein Fehlschlagen in dieser schönen Tätigkeit entmutigt. Zwar mögen seine Bestrebungen als Friedensstifter bis zu seinem Tode nur wenig Erfolg gehabt haben: aber vielleicht gedeiht auch nach seinem Hingange manche Saat, die er auf diesem Felde ausgestreut hat. Viel hoffte der Verewigte von der Zusammenkunft, welche im April zu Salona gehalten werden sollte und auch wirklich stattfand. Aber da lag Lord Byron auf dem Sterbebette, und ehe die Versammlung auseinanderging, war er zum ewigen Frieden eingegangen.
Es bleibt uns noch von Lord Byrons kriegerischen Plänen und Beschäftigungen zu reden übrig. Nachdem er die Flotte bezahlt hatte, welche nur ausgelaufen zu sein schien, um ihren rückständigen Sold einzuziehn, begann er eine Brigade von Sulioten zu bilden. Fünfhundert derselben, die tapfersten und kühnsten Soldaten Griechenlands, nahm er vom 1. Januar 1824 an in seinen Sold, und bald sollte sich ihnen auch eine Gelegenheit darbieten, ihren Heldenmut unter ihrem neuen Anführer an den Tag zu legen. Das Schloss von Lepanto, welches den Meerbusen gleiches Namens beherrscht, war die einzige Festung des westlichen Griechenlands, welche noch in den Händen der Türken war. Seine Lage am Eingang der Bucht ist von der ersten Wichtigkeit und macht es möglich, in ununterbrochener Verbindung mit Patras zu bleiben, daher auch alle Versuche misslungen waren, dieses Schloss durch Aushungerung zu nehmen. Seine Besatzung bestand aus 500 Türken und einer ansehnlichen Zahl von Albanesern, welche jedoch, wie es hieß, seit langer Zeit keinen Sold erhalten hatten und deswegen zum Verrat des Platzes geneigt waren; und man hatte sogar erfahren, dass sie, wenn Lord Byron ihnen die Summe ihres rückständigen Soldes auszahlen wollte, sich erböten, ihm die Festung bei seinem Anrücken zu überliefern. Lord Byron nährte aber kühnere Hoffnungen: er wollte Lepanto mit Sturm nehmen und träumte schon von kriegerischen Lorbeern und siegreichen Wunden. Jedoch verlor er dabei die Besinnung nicht so weit, dass er über sich selbst zu spotten verlernt hätte. Auf seinen Klumpfuß anspielend, pflegte er zu sagen: er habe wenigstens eine Eigenschaft eines alten Generals; und indem er sich mit dem Colonel Stanhope verglich, welcher seine ganze Zeit damit verbrachte, Berichte und Briefe zu schreiben, meinte er: es ist doch sonderbar, dass der Soldat Stanhope die Türken zuschanden schreiben will, und ich, der Schriftsteller, sie zuschanden fechten soll. Der Plan der Expedition war folgender: ein Haufen von 2500 Mann sollte das Hauptkorps bilden, und Lord Byron mit seinen 500 Sulioten und einer von Parry kommandierten, auf Kosten der englischen Philhellenen errichteten Batterie zu demselben stoßen. In den letzten Tagen des Januars ward aber Byron von der Regierung beauftragt, den Oberbefehl aller zum Sturme von Lepanto bestimmten Truppen zu übernehmen.
Indessen verschob sich die Unternehmung von Tag zu Tag und von Woche zu Woche, so dass auch Byron endlich die Lust und den Mut zu derselben verlieren musste. Erst fehlte es an der Artillerie, dann machten die durch ihres Soldherrn Freigebigkeit übermütig gewordenen Sulioten die tollsten Forderungen und zeigten sich widerspenstig und aufrührerisch, um dadurch das Unmögliche zu ertrotzen. Sie fingen Händel mit den Bürgern von Missolunghi an, die zu blutigen Auftritten führten, und gingen in ihrer Ausgelassenheit so weit, dass sie einst mit Gewalt in das Magazin und die Werkstätte der Ingenieurs einzudringen versuchten, welche die englischen Philhellenen nach Missolunghi gesandt hatten. Die Schildwache wurde von dem Tore verdrängt, die Waffen blitzten von beiden Seiten, und ein schwedischer Offizier, welcher als Friedensstifter dazwischentreten wollte, fiel durch die Kugel eines Sulioten. Diese und ähnliche Vorfälle, und dazu die Vereitelung eines Plans, den er mit ganzem Herzen umfasst hatte, wirkten mit ungestümer Gewalt auf das reizbare Gemüt des Lord Byron, und sein Körper erlag dem Bestreben, die Seele aufrechtzuerhalten.[6] Er bekam zu wiederholten Malen konvulsivische Anfälle, die immer heftiger und gefährlicher wurden, und denen man durch Mittel entgegentreten musste, welche seinen Körper sehr schwächten, wie namentlich Aderlässe und warme Bäder. Lepanto war nun aufgegeben, aber die von Odysseus vorgeschlagene Zusammenkunft der griechischen Häuptlinge nach Salona erfüllte ihn mit neuen freudigen Hoffnungen, und auch der glückliche Fortgang des Anleihegeschäfts war ihm stärkende Arzenei in seiner Krankheit.
Vergebens drangen jetzt seine Freunde in ihn, Missolunghi, welches eine sehr ungesunde Lage hat, auf einige Zeit zu verlassen und sich auf den ionischen Inseln in ruhiger Abgeschiedenheit zu erholen. Er wollte den Kreis seiner Tätigkeit nicht verlassen und fühlte sich besser, sobald nur eine bessere Aussicht für das Gelingen seiner Bestrebungen sich zu eröffnen schien, und so täuschte er sich und andre über den Zustand seiner Gesundheit: er fing wieder an zu reiten und auf dem Wasser zu fahren und trotzte dem ungünstigen Klima, welches den Himmel mit Regenwolken und die Erde mit Nebeln umhüllte, wie in den kraftvollsten Jahren seiner Jugend. Am 22. März schrieb er an einen seiner Freunde:
»In wenigen Tagen haben wir, Maurokordato und ich, im Sinne, uns mit einem beträchtlichen Geleit nach Salona zu begeben, wohin wir von Odysseus und den übrigen Häuptern des östlichen Griechenlands beschieden sind, um die Maßregeln des Angriffs und der Verteidigung für den kommenden Feldzug zu entwerfen. Maurokordato wird aber eben von der neuen Regierung nach Morea berufen, wie ich glaube, um an ihre Spitze zu treten, und zugleich wird mir das schriftliche Anerbieten gemacht, entweder mit ihm nach Morea zu kommen, oder in dieser Gegend die Oberleitung der Geschäfte mit dem General Londos und andern Männern zu übernehmen, die ich auswählen soll, um einen Rat zu bilden. Andreas Lindos ist seit meiner Anwesenheit in Griechenland mein werter Freund geworden. Vor der Zusammenkunft in Salona kann ich über nichts eine bestimmte Antwort erteilen; so viel nur ist gewiss, dass ich gern nützlich sein will, wo und wie ich vermag; nur will ich weder kommandieren, noch kommandiert werden. Entschuldigen Sie meine Eile. Es ist spät, und ich war mehrere Stunden zu Pferde, und zwar in einer Gegend, die nach dem vielen Regen so durchnässt war, dass man alle hundert Schritte an einen Bach oder Graben gelangte, aus dessen Kot und Schlamm meine Pferde und ihre Reiter manches Andenken und Merkmal mit nach Hause gebracht haben.«
Es war ein ähnlicher Spazierritt am 9. April, welcher den Lord Byron auf sein Totenbett warf. Er kam mit durchnässten Kleidern nach Hause und schlief unter Fieberschauern ein. Der andre Morgen fand ihn kränker, und so wuchs das Übel von Tage zu Tage mit so schnellen Schritten, dass sein Kammerdiener, der treue Fletcher, schon am 13. über den Zustand seines Herrn bedenklich zu werden anfing. Aber die Ärzte versicherten, es sei keine Gefahr vorhanden, und die ganze Krankheit beschränke sich auf ein Erkältungsfieber. Den Aderlässen, welche sie schon in den ersten Tagen der Krankheit verordnet hatten, widersetzte sich der Kranke, wahrscheinlich weil er sich zu matt fühlte und bereits in seiner vorigen Kur mehr Blut, als er entbehren könne, verloren zu haben meinte; oder verschob sie doch, um seinen Ärzten nicht geradezu zu widersprechen, von einem Tage zum andern. Endlich fügte er sich in den Willen der Ärzte, und ein Doktor Thomas wurde aus Zante zu Hilfe gerufen, als niemand mehr helfen konnte. Am 17. ließ man dem schon Erschöpften dreimal zur Ader. Darauf folgte heftiges Phantasieren und ohnmächtige Schwäche. In hellen Momenten klagte er über die Behandlung seiner Ärzte, verlangte nach dem Doktor Thomas und gab seinem Kammerdiener Aufträge in bezug auf seine Familie. Am meisten beschäftigte ihn seine Tochter, und auch seiner Gattin gedachte er mit zärtlicher Rührung in den letzten Stunden seines Lebens.
Übrigens ging er seinem Tode mit vollem Bewusstsein und männlicher Fassung entgegen. Griechenland schwebte auch jetzt noch, an den Pforten der Ewigkeit, vor seiner Seele, und in keinem Worte entschlüpfte ihm ein Ausdruck, welcher Reue oder Missvergnügen über das Unternehmen kundgegeben hätte, dem er sein Leben zum Opfer brachte. »Armes Griechenland! «rief er oft aus, »ich habe dir gegeben, was ein Mensch geben kann, meine Mittel, meine Zeit, meine Gesundheit - und nun auch mein Leben. Möge es dir gedeihen!« Am 18. gegen sechs Uhr abends sprach er die Worte - es waren seine letzten: »I want to go to sleep now« und legte sich nieder, um nie wieder aufzustehn. Er lag ohne Regung, zuweilen nur in der Kehle schnaubend, als wollte er ersticken, vierundzwanzig Stunden lang. Gegen sechs Uhr des folgenden Abends bemerkte Fletcher, dass sein Herr die Augen öffnete und sie dann plötzlich wieder schloss, ohne jedoch ein Zeichen des Schmerzes zu geben oder Hand und Fuß zu bewegen. »O mein Gott!« rief er aus, »ich glaube, mein Herr ist tot.« Die Ärzte fühlten seinen Puls und sagten: »Ihr habt recht, er ist tot.« Eine aus dem rheumatischen Fieber hervorgegangene Gehirnentzündung hatte seinem Leben ein Ende gemacht.
Lord Byron ist tot! Diese Kunde flog wie ein Donnerschlag durch die Straßen von Missolunghi und weiter und weiter durch Griechenland und die Welt. Als sie England erreichte, schwiegen vor ihr die Stimmen der neidischen Parteisucht und des engherzigen Egoismus, und öffentliche Blätter, welche noch vor wenigen Tagen über den neuen Tyrtäus gespottet hatten, zeigten mit Rührung und Ehrfurcht den frühen Tod desselben an. In Missolunghi entging seinem Hintritte keine der öffentlichen Ehren, durch welche ein Volk seinem Wohltäter die letzten Pflichten der Liebe und Dankbarkeit an den Tag legt. Der Fürst Maurokordato verordnete, am Morgen des 20., bei Sonnenaufgang, 37 Kanonen von der großen Batterie zu lösen, um die Zahl der Lebensjahre des Verstorbenen anzuzeigen. Ferner: alle öffentliche Geschäfte, die Gerichtshöfe mit eingeschlossen, sollen drei Tage hintereinander ruhen. Ebenso sollen alle Laufläden, ausgenommen die der Lebensmittel und Arzneien, geschlossen sein; Musik und die in diesen Tagen gewöhnlichen Tänze, die Gastmahle und Trinkgesellschaften und alle andre gemeinschaftliche Belustigungen sollen unterbleiben. Einundzwanzig Tage lang soll allgemeine Trauer sein. In allen Kirchen sollen Totengebete gehalten werden.
Aber das Volk bedurfte dieser Anweisungen zur Trauer nicht, und so mächtig war in jeder Brust das Gefühl der Trauer und des Schmerzes über den Verlust des großen Mannes, dass die Einwohner und Soldaten von Missolunghi, nur des Todes Ihres irdischen Heilands gedenkend, das Freudenfest der Auferstehung des himmlischen Heilands der Welt in ein Trauerfest verwandelten. Am Ostersonntag, sagt die Trauerrede, welche dem Allbetrauerten gehalten wurde, blieb der heilbringende Gruß des Tages: Christus ist erstanden! nur halb ausgesprochen zwischen den Lippen jedes Griechen; und wer dem andern begegnete, tat vor dem Glückwunsch zur Wiederkehr dieses fröhlichen Tages die Frage: Was macht Lord Byron? Tausende, auf der geräumigen Ebene außerhalb der Stadt zur Feier des heiligen Tages versammelt, schienen nur zu dem einzigen Zwecke vereinigt, den Heiland der Welt um die Genesung dessen anzurufen, der unsern Kampf für die Befreiung unseres Vaterlandes mit uns teilte.
Und welches Herz, das Gefühl für das Schöne und Große der Erde hat, empfindet nicht, dass auch ihm etwas mit dem so früh Dahingerafften geraubt worden ist? Wer empfindet nicht, irdischer Ansicht als irdisches Wesen huldigend, dass Byron zu früh dahingegangen ist, zu früh für Griechenland, für die Welt und für sich? Aber in dieses Gefühl des frühzeitigen Verlustes mischt sich doch auch der erhebende Gedanke: Wohl dem, der, wie er, in der Blüte männlicher Kraft und unter dem vollen Grün doppelter Lorbeern, sein reiches Leben zum Opfer bringen darf für das Höchste der Menschheit - die Freiheit! Und wohl ihm, der in der freudigen Hoffnung schied, er habe dieses größte Opfer nicht vergebens gebracht! Friede seiner Asche, und seine Grabschrift sei: Er war ein Mensch. Wer unter den himmlischen Affen wagt es der erste zu sein, der den Pharisäerstein der Verdammung auf seinen Hügel wirft?
Byron hatte keine Verfügung über seine irdischen Reste hinterlassen, und es erhuben sich daher Schwierigkeiten über die Bestimmung seines Begräbnisortes. Der Leichnam wurde einbalsamiert; das Herz blieb in dem Lande, für das es so warm geschlagen hatte und so gern gebrochen war, und die übrige Hülle der Seele wurde nach Zante gesandt, wo Lord Sidney Osborne, ein angeheirateter Verwandter des Verstorbenen, sie in Empfang nahm. Dieser wollte den Leichnam in Zante beerdigen lassen, musste aber dem lebhaften Widerspruche seiner Landsleute nachgeben und von diesem Vorsatze abstehn. Einer schlug vor, ihn im Tempel des Theseus oder im Parthenon zu Athen beizusetzen, und ihm winkte gewiss der Geist des Sängers Beifall zu. Dennoch siegte die Mehrzahl der Engländer, welche ihn nach London gebracht und in der Westminsterabtei bestattet haben wollten, und Odysseus, der einen Botschafter nach Missolunghi sandte, um den Leichnam nach Athen abzuführen, hatte keine Macht, seine Ansprüche in Zante geltend zu machen. So wurde denn der Mann, welcher sein Vaterland lebend nicht hatte wiedersehn wollen, tot und herzlos nach demselben zurückgeführt. Der Graf Gamba geleitete ihn hinüber und bis zu seiner Ruhestätte, mit ihm die Dienerschaft und einige Schützlinge des Verstorbenen. Er ist nicht in der Westminsterabtei begraben worden, sondern in der Gruft seiner Ahnen zu Newstead, und so hat er denn diesen Ort zu einer zweiten Westminsterabtei gemacht. Denn nicht der Begräbnisplatz ehrt einen solchen Mann, sondern der Mann den Begräbnisplatz.
[1] Wir geben das ganze Gedicht, weil es noch in keiner Sammlung von Byrons Werken zu finden ist, aus der neuesten Ausgabe von Medwins Gesprächen. Die deutsche Übersetzung aus Stuttgart liefert es auch nicht.
[2] Es war eine alberne Verleumdung, welche Byrons Feinde damals in öffentlichen Blauem n ausstreuten: der Lord schriebe in Griechenland an seinem »Don Juan«.
[3] Bozzaris schrieb von Karpenissi wenige Tage vor seinem Tode an einen Freund über Lord Byrons Ankunft in Griechenland: »Ich bin entzückt über Eure Nachricht von Lord Byrons Vorhaben in Betreff unsres Landes. Der Rat, den Ihr Sr. Herrlichkeit gegeben habt, seine Aufmerksamkeit auf Westgriechenland zu richten, hat uns das größte Vergnügen gemacht, und ich bin Euch verpflichtet für Eure beständige Tätigkeit zum Nutzen unsres Landes. Nicht weniger bin ich über Sr. Herrlichkeit besondre Aufmerksamkeit auf meine Landsleute, die Sulioten, erfreut, denen er die Ehre erwiesen hat, sie zu seiner Wache zu wählen. Be nutzet dieses Wohlwollen Sr. Herrlichkeit und bewegt ihn, so schnell als möglich nach Missolunghi zu kommen, wo wir nicht verfehlen werden, ihn mit jeder seiner Person gebührenden Ehrenbezeigung zu empfangen. Sobald ich von seiner Ankunft höre, werde ich die Armee hier verlassen und ihm mit einigen Genossen entgegengehen. Alles wird bald im Geleise sein; die Unruhen in Rumelien sind nur vorübergehend und werden leicht gestillt sein. Ich hoffe, Ihr wisst von allem, was hier vorgefallen, auch, dass der Pascha von Skutari nach dem Aspropotamos und Agrapha vorgerückt und bis Karpenissi vorgedrungen ist. Wir gehen ihm entgegen; alle festen Posten sind unser, und verlasst Euch darauf, wir werden dem Feinde guten Widerstand leisten.«
[4] Der schon genannte Trelawney und Hamilton Browne.
[5] Er schrieb kurz vor seinem Ende ein Schlachtlied für seine Sulioten, welches sich unter seinen Papieren in Brouillon gefunden hat, aber nicht ganz zu entziffern gewesen ist.
[6] Einige Tage nach dem Vorfall bei dem Artilleriemagazin schrieb er an einen Freund nach Zante: »Ich befinde mich um vieles besser, ob gleich ich kaum gehen kann. Die Ärzte ließen mir zu viel Blut nehmen, und man hatte Mühe, seinen Lauf wieder zu stillen. Allein ich bin doch Tag für Tag in der freien Luft gewesen, entweder zu Pferde oder auf dem Wasser etc.« Er schließt: »Hier sind die Angelegenheiten etwas verwickelt, besonders mit den Sulioten und mit den Fremden. Indessen hoffe ich immer auf Bessergehen und will so lange bei dieser Sache ausharren, als meine Gesundheit und meine Umstände es erlauben, und als ich sehe, dass ich nützlich sein kann.«
Auf ähnliche Weise antwortete er einem Freunde in Zante, der ihm zur Wiederherstellung seiner Gesundheit ein Landhaus auf dieser Insel angeboten hatte: »Ich kann Griechenland nicht verlassen, solange ich nicht die Gewissheit habe, dort nicht mehr von Nutzen sein zu können. Es gilt Millionen Menschen, wie ich einer bin, und solange ich aushalten kann, darf ich diese Sache nicht verlassen. Während ich dieses schreibe, kann ich zwar die Schwierigkeiten, allen Zank und alle Fehler der Griechen nicht verkennen, aber dennoch müssen alle Vernünftige Nachsicht mit ihnen haben.«